Am 40. Breitengrad endet die Walfreiheit

■ Internationale Walfang-Kommission erklärt die antarktischen Meere zu fangfreien Zonen / Konvention soll 50 Jahre gelten / Japan stimmte dagegen und droht, nun die Kommission zu verlassen

Berlin (taz) – Die diplomatischen Schachzüge der letzten Walfänger sind gescheitert. Mit 23 von 30 Stimmen hat gestern die Jahrestagung der Internationalen Walfang-Kommission für den größten Teil der antarktischen Meere jegliche Jagd auf die Meeressäuger untersagt. Lediglich Japan stimmte gegen die Schutzkonvention, die 50 Jahre lang gelten soll – in den kalten Gewässern der Antarktis leben die meisten Wale, dort liegen denn auch die Jagdgründe der japanischen Walfänger.

Sechs weitere Mitgliedsländer der Kommission enthielten sich der Stimme, Norwegen, das gestern erneut gegen die antarktische Schutzzone protestierte, blieb der Abstimmung fern. Damit war die Dreiviertelmehrheit der abstimmenden Delegationen erreicht, die satzungsgemäß für einen verbindlichen Beschluß der Internationalen Walfang-Kommission erforderlich ist.

Die Grenze des neuen Schutzgebietes entspricht weitgehend dem 40. Grad südlicher Breite. Lediglich die 200 Seemeilen breite maritime Wirtschaftszone Argentiniens und Chiles sind von der Konvention ausgenommen. Zum Ausgleich reicht das Reservat im Süden des Indischen Ozeans bis zum 55. Breitengrad empor. Damit schließt es an die Schutzzone an, die in diesem wärmeren Meeresteil schon vor Jahren eingerichtet worden ist.

Neunzig Prozent der heute lebenden Großwale stehen damit unter dem Schutz der Kommission, der nach den Normen des internationalen Seerechts alle Staaten beitreten müssen, wenn sie Walfang betreiben wollen. Schon 1982 hatte eine Mehrheit der Mitgliedsländer ein Moratorium gegen die kommerzielle Waljagd verfügt, das 1986 in Kraft trat. Auch der Fang der kleinsten Art der Großwale, der einzigen, die noch in fischbaren Mengen vorkommt, sollte nach dieser Regelung so lange eingestellt werden, bis wissenschaftlich geklärt ist, unter welchen Bedingungen der Restbestand erhalten werden kann.

Norwegen hält sich seit zwei Jahren nicht mehr an diesen Beschluß, Japan nimmt für sich in Anspruch, Walfang lediglich aus den von der Kommission erlaubten „wissenschaftlichen Gründen“ zu betreiben. Daß die Forschungsobjekte dann doch in Delikatessengeschäften und Feinschmeckerrestaurants landeten, mochte auch die Regierung nicht ernsthaft bestreiten. Um so verzweifelter ihre Bemühungen, den kommerziellen Walfang wieder legal betreiben zu dürfen: Karibische Staaten wurden von Japan mit Wirtschaftshilfe umworben, damit sie gegen die Einrichtung der antarktischen Schutzzone stimmten. Mehr als eine Stimmenthaltung ließen aber auch sie sich nicht abhandeln.

Für Norwegen hatte sich die Niederlage schon am Vortag vor dem Wissenschaftlergremium der Kommission abgezeichnet. Ein Rechenmodell für sogenannte „nachhaltige“ Fangquoten sollte Norwegens offenen Bruch des Fangmoratoriums rechtfertigen. Umweltschützer hielten von vornherein eine solche, den Bestand erhaltende Bewirtschaftung für aussichtslos. Weder sei bekannt, wie viele Wale heute leben, noch erforscht, wie sie auf andere Umwelteinflüsse, etwa die Erwärmung und wachsende Verschmutzung der Meere, reagieren. Nun hat auch die Walfang-Kommission diese Kritik zum Teil bestätigt. Zwar wurde das norwegische Berechnungssystem prinzipiell akzeptiert, jedoch mit anderen Ausgangsdaten gefüttert – immerhin hatten auch norwegische Experten eingeräumt, daß ihre Schätzungen über die Walbestände fehlerhaft sein könnten. Das Ergebnis war niederschmetternd: Unter den realistischeren Annahmen dürfte Norwegen noch genau einen Wal pro Jahr abschlachten. Der Fischereiminister protestierte daher eher kleinlaut gegen die antarktische Schutzzone, kündigte aber an, sein Land werde im Nordatlantik weiterhin „begrenzten Walfang“ betreiben. Japan dagegen drohte, die Walfang-Kommission zu verlassen. nh Seite 10