Von Plastikmüll und schwarzen Schafen

■ Nach Müllskandalen wird der deutsche Plastikmüllexport nach Osteuropa stark eingeschränkt / Statt dessen setzen die Konzerne auf „rohstoffliche Verwertung“

Bremen (taz) – Die schwarzen Schafe unter den deutschen Plastikmüllkutschern tummeln sich ungeniert auf dem europäischen Markt; der Hirte steht reichlich hilflos daneben. Am 17. Mai schlug der Hirte dann doch dazwischen. Die „Gesellschaft für Kunststoffrecycling“ (DKR), die gegenüber dem Dualen System der Garantiegeber für die Abwicklung von Plastikmüllverwertung ist, stoppte in einem internen Rundschreiben an Ministerien, Behörden und Vertragspartner alle Transporte von Plastikmüll nach Osteuropa. Der Grund: die „Vorgänge in Lettland“, wo im Mai – nach einem ähnlichen Vorfall im Februar – wiederum DSD-Müll statt in der Verwertung auf der Mülldeponie gelandet war.

Der abrupte Stopp der Lieferungen ist inzwischen teilweise gelockert: An vier Verwerterbetriebe in Rußland, Litauen und der Ukraine darf wieder geliefert werden, teilte DKR-Geschäftsführer Michael Scriba mit. Alle anderen Firmen in der Ex-UdSSR, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Ex-Jugoslawien, der Slowakei und Polen sind dagegen weiterhin tabu.

Angetreten ist die DKR, um das lädierte Image der Branche aufzupolieren nach den Skandalen der Vorläuferorganisation VGK, etwa mit illegalen Exporten von Plastikmüll nach Frankreich. Diese Beruhigung ist indes schwer: Vor zwei Wochen wurde ruchbar, daß die Entsorgungsfirma Rethmann aus Münster (bis vor kurzem mit Sitz und Stimme im Aufsichtsrat der DKR) an der DKR vorbei 900 Tonnen Plastikmüll auf die Philippinen exportiert hatte, der prompt nach Deutschland zurückkehrte.

Die Probleme beim Export sind allerdings für DKR-Geschäftsführer Scriba nur „logistische Probleme im weitesten Sinne“. In den osteuropäischen Staaten halten nach seiner Auskunft Behörden und Betriebe kräftig die Hand auf, um am Müllexport zu verdienen. „Unsicherheit und Unzuverlässigkeit“ seien die Folge. Die Export- Notbremse ist für Scriba gerade der Beweis, daß das „Qualitätsmanagement“ bei der DKR bestens funktioniert.

Das liest sich im Schreiben der DKR vom 17. Mai allerdings anders: „Wir müssen befürchten – ohne bisher konkrete Anhaltspunkte zu haben –, daß Kunststoffe aus Sammlungen des Dualen Systems ohne unsere Einwilligung oder gar andere Stoffe, fälschlicherweise als DSD-Material deklariert, in diese Staaten exportiert werden.“ Die schwarzen Schafe werden also in Deutschland vermutet. Von der Kontrolle der Exporteure war die DKR in der Vergangenheit offenbar weit entfernt. Jetzt soll die Zusammenarbeit mit dem deutschen Zoll verstärkt werden.

Wohin die monatlich etwa 5.000 Tonnen Plastikmüll nun gehen, die nicht mehr nach Osteuropa geliefert werden können, weiß niemand so genau. „Wir wollen keine Zwischenlager“, sagt Scriba. Mittelfristig werde es in Deutschland genug Verwertungskapazitäten geben, so daß ab 1996/97 der Export ganz eingestellt werden könne. Bis dahin allerdings geht der größte Batzen des deutschen Wohlstandsmülls nach Südostasien.

Zur Zeit kommen der DKR die Exportskandale vielleicht ganz recht, argwöhnt Gunda Rachut von der Öko-Beratungsfirma „cyclos“. Damit werde der Eindruck erzeugt, Export sei unsicher, und damit spreche alles für die inländische Verwertung. Das aber heißt unter reger Beteiligung der großen Energieunternehmen (die inzwischen ebenfalls in der DKR sitzen) „rohstoffliche“ Verwertung, also die Rückverwandlung von Plastik in die Ausgangsprodukte Öl und Gas. In zwei Jahren soll es nach Investitionen in Höhe von einer Milliarde Mark Kapazitäten für 500.000 Tonnen in Deutschland geben, hofft die DKR und mit ihr Großunternehmen wie BASF und RWE. Daher streiten die Unternehmen schon jetzt um Anteile am DSD-Müll, um ihn zu vergasen oder zu verfeuern. Von Recycling oder gar Vermeidung ist da nicht mehr die Rede. Bernhard Pötter