Neue Währung mit üblem Duft

Kroatien führt mit der „Kuna“ eine neue Währung ein / Bezeichnung stammt aus faschistischer Vergangenheit/ Wirtschaftlich hat die Umstellung jedoch kaum eine Bedeutung  ■ Von Erwin Single

Zagreb/Berlin (taz) – Es gehört wohl zu den seltenen Gepflogenheiten der Völker, eigene Niederlagen zu feiern. Die Kroaten taten sich diesen Tort gestern zum vierten Jahrestag des Endes der kommunistischen Herrschaft an. Just zu diesem denkwürdigen Datum brachte die Narodna Banka Hrvatske, die Nationalbank, die neue kroatische Währung feierlich unter die Leute. Doch noch war die „Kuna“, mit der der Dinar endgültig seine Nullen verlieren sollte, nicht ausgegeben, schon gab es Streit um den Währungsbeschluß.

Aber nicht etwa die Abschaffung des Dinars, eines Überbleibsels aus der allzu schnell verdrängten Vergangenheit eines gemeinsamen Jugoslawiens mit Serben und Slowenen, löste die Mißstimmung aus. Die Gemüter erhitzten sich vielmehr an der Bezeichung der neuen Währung: Die Kuna, was soviel wie Marderfell heißt, ist ein Relikt aus der Zeit des faschistischen kroatischen Staates unter Ante Pavelić. 1941 von der deutschen Wehrmacht eingeführt, wurde das ungeliebte Zahlungsmittel nach der Gründung Jugoslawiens schnell wieder aus dem Verkehr gezogen.

Daß der nationalistisch gesinnte Staatspräsident Franjo Tudjman ausgerechnet diese Bezeichnung für das neue Zahlungsmittel wählte, brachte die Opposition und große Teile der Bevölkerung in Rage. Sie sehen darin einen für das Land und seine internationale Reputation verhängnisvollen Schritt – schließlich gilt die „Kuna“ als Ausdruck jenes alten Kroatiens, dessen unseelige Geschichte eng mit dem nationalsozialistischen Terror auf dem Balkan verknüpft ist. Eine Schande, fluchen gar manche Intellektuelle, von der Währung gehe ein übler Geruch aus – nicht zuletzt, weil der Marder mit Stinktieren durchaus artwerwandt sei.

Tudjman, der den umstrittenen Namen höchstpersönlich durchgesetzt hatte, verteidigte seine Entscheidung am Wochenende: Die „Kuna“ sei eine mittelalterliche Münze. Als einst russische Währungseinheit soll sie im 10. Jahrhundert auf dem Balkan kursiert sein. Auch Deutschland und Italien, beharrt der Präsident, hätten nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Währungen nicht umbenannt.

Drei Nullen gestrichen

Der Großteil der Bevölkerung freilich hofft, daß mit dem neuen Geld auch die darniederliegende kroatische Wirtschaft neuen Aufschwung erhält. Sie werden wohl bald enttäuscht sein, denn bei der Umstellung handelt es sich lediglich um einen Akt, den man in der Fachsprache „Denomination“ nennt. Drei Nullen werden gestrichen, eine „Kuna“ ist somit 1.000 kroatische Dinar wert. Eine Woche lang sollen beide Währungen gültig sein, danach können die alten Dinar noch bis zum Jahresende gegen die von der Münchner Notendruckerei Gieseke und Devrient gelieferten neuen Banknoten eingetauscht werden.

Für die Wirtschaftsexperten hat die Währungsreform jedoch noch eine andere Bedeutung. Sie sei, sagt Velimir Sonje vom Ekonomski Institut Zagreb, ein logischer Schritt im kroatischen Stabilisierungsprogramm. Das von der Regierung im Oktober 1993 eingeleitete Programm, das auf eine restriktive Geld- und Fiskalpolitik sowie eine rigorose Einkommenspolitik mit eingefrorenen Löhnen ohne Preisstopp setzt, zeigt in der Zwischenzeit Wirkung: Die galoppierende Inflation, die zuvor bei monatlich rund 50 Prozent rangierte, konnte weitgehend gestoppt werden und lag in den letzten Monaten unter 1,5 Prozent. Ob die „Kuna“ aber voll konvertibel sein wird, wie Tudjman stets behauptet, daran hat auch Sonje erhebliche Zweifel.

Den Bürgern wird das Spiel mit den Nullen allerdings kaum Entlastung bringen. Die scheinbare Normalität auf den Straßen der großen Städte überdeckt Wirtschaftskrise und Armut. Das Bruttosozialprodukt ist von 15,1 Milliarden US- Dollar vor Ausbruch des Krieges auf 8,3 Milliarden (1993) gesunken, die Industrieproduktion um gut die Hälfte zurückgegangen. Allein die Kriegsschäden belaufen sich auf schätzungsweise rund 20 Milliarden Dollar. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt offiziell bei 300 D-Mark, für viele Familien, die dazu noch aus den Kriegsgebieten geflüchtete Angehörige mitversorgen müssen, reicht das kaum für das Nötigste. Die offizielle Arbeitslosenrate von konstant 17,8 Prozent ist ebenfals wenig aussagekräftig, da viele junge Kroaten noch unter Waffen stehen und in Kampfanzügen durch die Städte patroullieren.

Mato Crkvenac, Ökonomieprofessor und Leiter des unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstitutes City Trust, verteilt schlechte Noten an die Regierung von Nikica Valentic: Das Stabilitätsprogramm gehe zu Lasten der Produktion. Und ohne Aktivitäten zur Förderung von Nachfrage, Produktion, neuen Arbeitsplätzen oder einer effizienten Umstrukturierung der Betriebe werde die Stabilität weiter in Frage gestellt.