Honeckers „Prawda“

■ Satireverlag bringt Vermächtnis

Berlin (dpa/taz) – Mit einer Startauflage von 10.000 Exemplaren sollen die Memoiren des am Sonntag gestorbenen Erich Honecker im Juni erscheinen. Der Ostberliner Verlag edition ost bringt die 300 Seiten, die Honecker in der Berliner Haftanstalt selbst geschrieben und in Chile diktiert haben soll, unter dem Titel „Moabiter Notizen“ heraus. Jedes Blatt sei mit seinem Signum autorisiert, so der Verlag.

Manuskriptseiten, die der Nachrichtenagentur dpa übermittelt wurden, zeigen, daß Honecker bis zuletzt nicht vom Kommunismus abrückte. So heißt es in den Vorbemerkungen, diese Zeilen seien für jene gedacht, die es mit der Analyse der Vergangenheit ernst meinen. Den „Geschichtsbewältigern“ gehe es allein um die Hetze gegen den Sozialismus, „um damit den unausweichlichen Niedergang des Kapitalismus noch möglichst weit hinauszuschieben“.

Erst vor zwei Wochen sei ein Beauftragter Honeckers, nachdem andere Verlage das Manuskript abgelehnt hätten, mehr oder weniger durch Zufall auf edition ost gekommen, sagte der Chef des Verlages, Frank Schumann. „Der Verkaufserfolg läßt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht kalkulieren“. Fünf Jahre nach dem Ende der DDR seien die Menschen Honecker gegenüber gleichgültiger geworden.

Der Verlag, der vor allem Satire und Populärwissenschaftliches veröffentlicht, trage die Kosten der Produktion. Die Familie werde prozentual am Verkauf beteiligt. Ursprünglich sollten die Erinnerungen zum 82. Geburtstag im August erscheinen. Sie enthalten auch Protokolle der von Honecker während des BRD-Staatsbesuchs 1987 geführten Gespräche, darunter die mit der gesamten Spitze von SPD, CDU und CSU sowie den Grünen Kelly und Bastian.