Blackout bei der taz

■ "Maus und Katz" - Ein Fernsehspiel und zwei Kritiken (20.15 Uhr, ARD)

Unvoreingenommen wie stets schauten wir vor einem halben Jahr einmal arte. Machten uns ein Bild und ließen unsere Leser anschließend wissen, was wir von dem dargebotenen „Maus und Katz“-Spiel hielten. Nun, da das Fernsehspiel seinen Weg in die ARD gefunden hat, ließ uns wiederum der WDR- Redakteur Martin Wiebel wissen, was er nach der taz-Lektüre von uns hielt. Wenn Sie nun wissen möchten, was Sie in dieser Angelegenheit von uns, dem WDR und dem deutschen Politfilz zu halten haben, lesen Sie am besten diese Seite. Schauen heute abend ARD, und machen sich dann selbst ein Bild. klab

Stellen Sie sich vor, Sie dürften mal eine Fernsehkritik schreiben, eine über einen ehrgeizigen, ambitionierten, spannenden Unterhaltungsfilm, noch dazu aus der Küche des „Rotfunk“-TV-Redakteurs Martin Wiebel, dem unverständlicherweise für politische Fernsehspiele dieser Art schon so mancher Preis, sogar von Grimmes, verliehen wurde.

Geben Sie's zu, auch Sie würden letztlich an Ihr eigenes Fortkommen denken. Würden ins taz-Archiv steigen, weil die Geschichte des Films „Maus und Katz“ Sie doch unheimlich an reale Vorgänge in der Frankfurter Geldhauptstadt erinnern würde, an den Oberbürgermeister Wallmann und die Beker-Brüder, die Chefs des dortigen Rotlichbezirks. Und weil die taz gut zahlt, würde Ihr Ehrgeiz darin liegen, über dieses politische Fernsehspiel die mit Abstand politischste Rezension zu schreiben. Denn gerade die taz will sich doch von Spiegel, SZ und all den anderen bürgerlichen Anpassungsblättern politisch nicht überholen lassen. Wo sich die anderen Rezensenten auf ästhetische Fragen wie Kameraführung oder darstellerische Leistungen beschränken würden, würden Sie vielleicht titeln „Mario Adorf spielt Walter Wallmann“ oder „Allgemeiner Almosenkasten“. Weil Sie natürlich herausgefunden hätten, daß unter diesem literarischen Namen überteuerte Grundstücksaktionen zwischen den Puffbesitzern und dem damaligen CDU-Magistrat der Stadt Frankfurt abgewickelt wurden. Knallhart würden Sie die Wirklichkeit, die natürlich schlimmer als die Erfindung ist, in den Mittelpunkt Ihrer Rezension stellen. Schließlich weiß doch gerade die taz, daß in dieser Republik nicht nur in Frankfurt, sondern überall Amigo-Land ist.

Sicher würden Sie sich als linke, feministische Rezensentin auch mit der Rolle der Frauen in diesem Film als Opfer machtgieriger und korrupter Männerspiele zwischen Puff und Parteien beschäftigen oder mit der Berufskrankheit der Journaille, dem Zynismus. Vielleicht widmeten Sie sich sogar aus gegebenem Anlaß einmal grundsätzlich der Frage, wie notwendig es ist, gesellschaftliche Stoffe auf unterhaltsame Weise im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu plazieren. (Womöglich hätte das Archiv sogar Wiebels Plädoyer für die Tugenden des republikanischen Fernsehen zutage gefördert).

Aber nichts davon. Blackout bei der taz. Es ist zum Verzweifeln. Außer die Nation guckt heute abend doch ARD. Martin Wiebel