Der Kanzler duldet beim Gedenken keinen neben sich

■ Statt Herzog redet Kohl zum 20. Juli

Berlin (taz) – Schon im Vorfeld seiner Wahl zum Bundespräsidenten hatte sich Roman Herzog den Jahrestag des Attentates auf Adolf Hitler vorgemerkt. Die erste große Rede, die er in seinem neuen Amte halten würde, die zur 50. Wiederkehr des 20. Juli, bezeichnete er gegenüber der Süddeutschen Zeitung als eine Bewährungsprobe.

Die Bewährungsprobe bleibt dem Bundespräsidenten erspart. Der Bundeskanzler hat sich in die Bresche geschlagen. Er will selber die Rede halten und hat sich damit den Unwillen der SPD, aber auch der Widerstandsverbände zugezogen. Der SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping, dem nachgesagt wird, daß er wiederum gerne eine Rede am Gedenktag gehalten hätte, erklärte gestern, „eine Funktionalisierung des Gedenktages zu Wahlkampfzwecken verbiete sich für jeden“. Für ihn wäre es angemessen gewesen, wenn der Parteivorsitzende einer Partei, die in besonderer Weise unter der Diktatur des Dritten Reiches gelitten hat, um die Teilnahme an dieser Veranstaltung gebeten worden wäre. Scharping will sich nun „in angemessener Form“ zum Gedenken äußern. Das Kanzleramt wollte sich zu der Kritik nicht äußern.

Daß nun Kohl allein das Feierfeld beherrscht, wollen auch die Widerstandsverbände nicht hinnehmen. Claritta von Trotz zu Solz, Witwe des im August 1944 hingerichteten Widerstandskämpfers Adam von Trotz zu Solz, erklärte gegenüber der taz: „Ich bin sehr traurig, daß durch die Rede eines Menschen, der für eine bestimmte politische Strömung steht, die Vielfältigkeit des Widerstandes, wie er sich gerade im Kreisauer Kreis zeigte, nicht repräsentiert wird.“

Der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Peter Steinbach, distanzierte sich von den bisherigen Gestaltungsabsichten. Das militärische Ritual passe nicht, er habe sich den Ablauf ziviler gewünscht, aber sich nicht durchsetzen können. Das Bundesverteidigungsministerium hat den Aufmarsch eines Wachbataillons und eines Zuges Soldaten geplant.

Die Vorsitzende des Zentralverbandes demokratischer Widerstands- und Verfolgtenorganisationen, die ehemalige Bundestagspräsidentin Annemarie Renger, forderte, daß der Bundespräsident die Hauptrede halten solle. Doch aus dem Amt des künftigen Bundespräsidenten Roman Herzog verlautet nun, entsprechende Pläne seien nicht bekannt. dr