■ Schnittplatz
: Liebe Gisela Marx!

Doch, wenn Sie so im Radio das Morgenmagazin moderieren oder auch im Fernsehen am späten Freitag drauflostalkten, dann wirkten Sie eigentlich immer recht zupackend, ja nachgerade mutig. Das hörte selbst dann nicht auf, als Sie Ihre Talk-Berühmtheit zu Wahlkampfzwecken Johannes Rau zur Verfügung stellten. In so mancher kleinstädtischen Mehrzweckhalle verhalfen Sie ihm durch das Vorlegen solidarisch-kritischer Fragen zu Profil. Nun gehören Sie auch noch einem Gremium der SPD an, das die – gewiß undankbare – Aufgabe hat, über die Investitionstätigkeit mit parteieigenem Geld zu befinden. Zufällig betreiben Sie auch noch eine TV-Produktionsfirma. Warum soll – so wird man sich da gedacht haben, bei so viel Qualität in einer Hand – nicht eben jene Firma die Wahlspots für die Scharping-Partei produzieren? Das ist nichts Ungewöhnliches, das bißchen Protektion, diese Politik der kurzen Wege. Niemand würde Ihnen daraus einen Vorwurf machen, nur Ihr kleines Taschenbüchlein, das wir als Erbauungsliteratur noch im Regal stehen haben und in dem sie gegen die Macht der Männer ebenso furios anrennen wie gegen diese schreckliche Parteibuchwirtschaft in den Medien – das sollten Sie schleunigst aus den Antiquariaten aufkaufen. Und dann diese Spots! Wir verstehen schon: die Machart, darauf kommt es an. Bewußt Werbung machen mit eingestreuter Information – das ist die neue Masche, abgeschaut von der Ford-Reklame. Darum diese Reißschwenks und die abgehackten, scheinbar spontanen Straßen- O-Töne und das etwas amateurhafte Ministudio. Aber mußte denn da unbedingt das Töchterlein der Wibke Bruhns zu Ehren kommen und der soeben pensionierte WDR-Redakteur Johannes Wicke, in dem wir alle noch den „Ratgeber Recht“ sehen sollen? Und wenn einem dann die Leute, die gerade noch so spontan-empört auf der Straße einen Halbsatz ins Mikro hauchten, kurz darauf auf den Fluren des WDR begegnen, wirkt das wie ein kurioses Déjà-vu.

Wem soll das (außer finanziell) nützen? Dem WDR? Der SPD? Oder ist es einfach eine Art Bewerbung – als Ede Zimmermann einer so gewiß nicht heraufziehenden sozialliberalen Ära?Bernd Gäbler