Ein Verfassungsgericht für die Verfassungskrise

■ Der ukrainische Präsident Krawtschuk fordert das Kiewer Parlament auf, die Interessen der russischen Bevölkerung der separatistischen Krim zu berücksichtigen

Kiew (dpa/taz) – Versöhnliche Töne waren gestern aus Kiew zu hören: In einer Rede vor dem Obersten Sowjet forderte der ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk die Abgeordneten seines Landes auf, die Interessen der russischen Bevölkerungsmehrheit auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu berücksichtigen. Außerdem solle schnell ein Verfassungsgericht geschaffen werden, das im Streit zwischen Kiew und der Führung der zur Ukraine gehörenden „Autonomen Republik Krim“ eine Entscheidung fällen soll. Der Vorsitzende des Parlaments der Krim, Sergej Zekow, begrüßte den Vorschlag Krawtschuks. Dies erlaube, die Krise in zivilisierter Weise zu lösen.

Die Sondersitzung des ukrainischen Parlaments war einberufen worden, nachdem am Dienstag eine ultimative Forderung Kiews an die Krim-Führung von dieser zurückgewiesen worden war. Der Sowjet der Halbinsel hatte es abgelehnt, die Inkraftsetzung einer bereits 1992 verfaßten Konstitution aufzuheben. Bis zur Schaffung eines Verfassungsgerichtes, das über die Gültigkeit der Krim-Verfassung entscheiden muß, solle der ukrainische Parlamentsbeschluß gelten, wonach die Beschlüsse der Krim ausgesetzt sind. – „Rußland wird niemals auf seinen Einfluß auf der Krim verzichten“, argumentierte Krawtschuk. 78 Prozent der russischsprechenden Krim-Bevölkerung würden auf enge Beziehungen zu Rußland nicht verzichten. „Wir müssen nun so handeln, damit es nicht zu einem Konflikt kommt“, betonte er vor allem gegenüber denjenigen Abgeordneten, die ein hartes Vorgehen gegen Abspaltungsbestrebungen der Krim verlangen. Nationalistische Abgeordnete warfen Krawtschuk in der Aussprache vor, die ukrainischen Interessen nicht hinreichend zu vertreten.

„Wir haben nichts getan, um die Krise zu verschärfen“, sagte der Präsident zu Vorwürfen, die von der Krim-Führung und der russischen Regierung erhoben worden waren. Den Krim-Präsidenten Juri Meschkow kritisierte Krawtschuk scharf. Dieser habe die Abspaltung von der Ukraine und die Rückkehr zu Rußland zum strategischen Kurs erklärt. Günstig beeinflußt werden soll die Lage auf der Krim außerdem durch eine „erfolgreiche Aufteilung“ der russisch- ukrainischen Schwarzmeerflotte. Die seit einer Woche unterbrochenen Verhandlungen sollen bald wiederaufgenommen werden.