Der Kinder Not ist die Lust der Reichen

■ Internationale Arbeitsorganisation: Millionen Kinder zu Arbeit oder Prostitution gezwungen

Berlin (taz) – Sie werden ihren Familien abgekauft oder von Gangsterbanden gekidnappt. Sie hoffen auf Arbeit, eine Wohnung und ein besseres Leben in der Stadt: Millionen Kinder in der ganzen Welt werden zur Prostitution oder schweren Arbeit gezwungen. Zweihundert- bis achthunderttausend sexuell ausgebeutete Kinder gibt es allein in Thailand, schätzt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO). In ihrem Bericht, den die Organisation gestern in Genf vorlegte, bezeichnet sie die Kinderprostitution als Ausdruck der „verachtenswertesten Perversion von Menschen“. Händlerringe entführen Kinder aus Kambodscha, Birma und Laos nach Thailand, das immer noch ein beliebtes Ziel für Sextouristen ist. Diese Banden sind Berichten zufolge häufig international organisiert und auch im Drogen- und Waffenhandel engagiert.

Die „Kunden“ mißbrauchen immer jüngere Kinder, offenbar um sich vor einer Ansteckung mit dem Aidsvirus zu schützen – und dies nicht nur in Thailand, wo weit über eine halbe Million Menschen bereits HIV-infiziert sein sollen. Trotz wachsenden Wohlstandes in Thailand – wie auch anderen Staaten der Region – verstärkt sich dort doch die Kluft zwischen Arm und Reich. Armut sei aber keine Entschuldigung für die sexuelle Ausbeutung von Kindern, heißt es in dem Bericht.

Die Zunahme der Kinderprostitution ist nicht nur in Asien, sondern auch in Europa zu beobachten, wie jüngste Berichte über Kinderprostituierte in der Tschechischen Republik zeigen. Erst in wenigen Fällen konnten internationale Gruppen, die sich dem Kampf gegen den Prostitutionstourismus verschrieben haben, Erfolge verzeichnen. So in der Bundesrepublik, das als traditionelles „Entsenderland“ zahlreicher Sextouristen nach Südostasien und Afrika gilt: dort können seit vergangenem Jahr Männer strafrechtlich verfolgt werden, wenn bekannt wird, daß sie im Ausland Kinder sexuell mißbraucht haben. Einige deutsche Reiseveranstalter haben mit der Kinderschutzorganisation Terre des hommes ein Abkommen getroffen, Hotelverträge in Thailand in Fällen von Kinderprostitution zu kündigen.

Die ILO fordert die internationale Gemeinschaft auf, die Kinder vor der Prostitution zu schützen und Touristen, Vermittler und Werber zu bestrafen.

Sexuelle Ausbeutung und Kindersklavenarbeit gehen oft Hand in Hand. Der ILO-Bericht beklagt auch die verbreitete Kinderarbeit in vielen Ländern der Welt. Rund 200 Millionen Kinder unter 15 Jahren müssen ihren eigenen Unterhalt verdienen – und oft genug auch ihre Familien mit ernähren. Die ILO hebt auch die Lage in Indien hervor. Dort werden viele Kinder gezwungen, unter gefährlichen Bedingungen in der Landwirtschaft und als Teppichknüpfer zu arbeiten.

Die Londoner Anti Slavery Society schätzt, daß in Indien 25 Millionen Kinder zu Arbeit gezwungen werden. Und aus Sri Lanka seien im vergangenen Jahr mehr als tausend Beschwerden eingegangen, daß Kinder von ihren Arbeitgebern grausam mißhandelt werden. Ähnliches gebe es auch in Bangladesch und Pakistan. Seiten 8 und 10

In der thailändischen Touristenmetropole Pattaya werden Mädchen den Sextouristen vorgeführt und hernach nach laufenden Nummern aufgerufen Foto: Horacek