Dinosaurier der Architektur

■ Die Ausstellung „Idee und Modell“ von Gerkan, Marg & Partner: 250 mal Handgebasteltes

Die virtuelle Realität von Architektur ist inzwischen mindestens so perfekt wie die Animation von Dinosauriern. Mit den Programmen des Computer Aided Designs (CAD) läßt sich heutzutage ein Gebäude aus jeder Perspektive mit austauschbaren Materialen, Proportionen und Lichtverhältnissen ebenso perfekt darstellen wie ein mampfender Brontosaurus im Jurassic Park. Mit etwas Aufwand kann die vollständige Begehung eines Hauses am Bildschirm simuliert werden, um zu entscheiden, ob es überhaupt gebaut wird.

Vor diesem Hintergrund nimmt sich Meinhard von Gerkans Plädoyer für das handgebastelte Architekturmodell, das er in Form einer Ausstellung von über 250 Modellen aus dem Büro Gerkan, Marg und Partner (gmp) hält, geradezu anachronistisch aus.

Doch sein Beharren auf dem analogen Weg der Manifestation von Ideen zeigt von Gerkan als besonnenen Konservativen, dem das Ethos der Renaissance-Architekten näher ist als die Wünsche des bauenden Kapitals. Oder anders gesagt: gmps Architekturmodelle wollen mehr von der Haut der Kunst als von der Verfügbarkeit des Architekten zeigen.

Von Gerkan – immerhin Partner des vielleicht erfolgreichsten deutschen Architekturbüros – geht es bei dem Zwischenschritt „Modell“ um die Bewahrung von Aura und Persönlichkeit sowie um die Aufrechterhaltung von Widerständen, an denen die schöpferische Phantasie sich prozessual abarbeiten muß.

Nicht die mundtot machende Blendung durch perfekte Wiedergabe en miniature, sondern das Synonym einer künstlerischen Idee in einer Rohform, die den Betrachter zur geistigen Mitarbeit anhält, erklärt der Hamburger Architekt im Vorwort zu dem gleichzeitig erschienen Katalog (Ernst & Sohn) als seine Absicht.

Das Architekturmodell also als eigenständige Kunstform? Dazu sind dann die Ansprüche der Bauherren wohl doch zu naiv, ihre Vorstellungskraft zu begrenzt, wie die von Jan Esche und Bernd Patuschka entwickelte Ausstellung mit Modellen aus 30 Jahren gmp zeigt. Denn die Modelle in diversen Maßstäben – von Detailansichten bis zu städteplanerischen Bauklötzchen – sind doch in ihrer überwiegenden Mehrzahl kleine Attraktionen großer Bauvorhaben, die der realistischen Wiedergabe näher sind, als der skulpturalen Seele einer Idee.

Deswegen läßt sich die Ausstellung auch besser anders nutzen, als es von den Machern intendiert wurde. Nämlich als Werkschau eines Architekturbüros, dessen nationale und internationale Bedeutung sich gerade auch in Hamburg in unzähligen Bauten niederschlägt (Flughafen-Erweiterung, Zürich-Haus, Fleetinsel, Union-Kühlhaus, und vieles andere mehr).

Dafür fehlen leider Abbildungen der letztendlich realisierten Projekte und Zeichnungen, die den Prozeß illustrieren könnten. Doch die Fülle der Exponate vermittelt auch ohne Beiwerk einen in dieser Vollständigkeit wohl einmaligen plastischen Eindruck.

Till Briegleb

gmp-Architekturwerkstatt, Völckerstr. 20, 22765 Hamburg (Ottensen), Di-Fr 16-19.30 Uhr, Sa + So 14-18 Uhr