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Hemmschuh wird neu angepaßt

■ Die Stellplatzverordnung blockiert autoarmes Wohnen / Stadt kassiert 15.660 Mark für jeden nicht gebauten Parkplatz / Regelung soll entschärft werden

Wer bauen will, muß an die Parkplätze denken. Bei jedem Neubau, so will es die Hamburger Stellplatzverordnung, muß auch Platz für Autos geschaffen werden, egal wie gut der neue Standort an öffentliche Verkehrsmittel angebunden ist. Für jede neue Mietwohnung müssen 0,8 Parkplätze erstellt werden, bei gewerblich genutzten Neubauten muß je nach deren Nutzungsintensität pro 40 bis 100 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche ein neuer Parkplatz her.

Kräftig zahlen muß jeder, der keinen Parkraum bereitstellen will: 15.660 Mark „Ablöse“ kostet jeder nicht gebaute Parkplatz die Investoren, in der Innenstadt innerhalb des Wallrings gar 28.800 Mark. Wer in der City baut, der muß sogar auf alle Fälle blechen: Denn hier dürfen nur 40 Prozent der vorgeschriebenen Parkplätze gebaut , der Rest muß „abgelöst“ werden.

Die Stellplatzverordnung füllt zwar die leeren Stadtkassen, sie ist aber auch ein Garant dafür, daß immer mehr Parkplätze die Hansestadt überwuchern oder untertunneln. Deshalb beschloß die SPD auf ihrem Parteitag im Frühjahr, daß die Verordnung ein neues Gesicht bekommen muß. Auch die Stadtentwicklungsbehörde ist für chirurgische Eingriffe: Die hohen Ablösesummen verschrecken Investoren, blockieren so die gewünschte innerstädtische Verdichtung.

Zur Zeit wird in den Hinterzimmern der Baubehörde an einer Novellierung der in der Hamburgischen Bauordnung festgeschriebenen Verordnung getüftelt. Die noch geheime Novelle sieht nach taz-Informationen vor, auch im Univiertel, St.Georg, Altona und Harburg die Zahl der Stellplätze bei Neubauten zu beschränken. Allerdings nicht wie in der Innenstadt auf 40 Prozent der von der Stellplatzverornung geforderten Parkplätze, sondern auf 60 Prozent - der Rest muß auch hier abgelöst werden.

Weitere Ausnahmeregelungen könnten auch einem Pilotprojekt zugute kommen, das SPD und Statt Partei laut ihrem Kooperationsvertrag noch in dieser Legislaturperiode verwirklichen wollen: die erste autofreie, beziehungsweise autoarme Siedlung der Hansestadt. Zwar ist es schon heute möglich, mit kleinen Tricks, etwa der unbefristeten Stundung der erforderlichen Ablösesummen, trotz Stellplatzverordnung parkplatzfrei zu bauen. Gesetzlich abgesichert sind solche Pilotprojekte jedoch nach wie vor nicht.

Noch immer ist unklar, wo Hamburgs erste autobeschränkte Wohnzone eingerichtet werden könnte. Bislang hat die Stadtentwicklungsbehörde nur die geplante Großsiedlung „Allermöhe 3“ ins Gespräch gebracht. Karsten Wagner vom Verein „Neandertal e.V“, der das autofreie Modellprojekt fördern will, ist sicher: „Allermöhe 3 kann es nicht sein, das dauert ja noch zehn Jahre“. Gemeinsam mit Robin Wood fordern die NeandertalerInnen das im Kooperationsvertrag festgeschriebene Modellvorhaben dort zu etablieren, wo das öffentliche Nahverkehrsnetz am besten ausgebaut ist: in City-Nähe.

Doch die Stadtentwicklungbehörde hat die Vorschläge von Robin Wood, die neuen Wohngebiete auf dem ehemaligen HSV-Gelände am Rothenbaum und auf der ehemaligen Farmsener Trabrennbahn autofrei zu gestalten, bereits definitiv abgelehnt. Nach Informationen der taz will sich noch in diesem Monat eine aus MitarbeiterInnen der Stadtentwicklungsbehörde bestehende Kommission auf die Suche nach einem geeigneten Gelände für das weitgehend autofreie Modellprojekt machen. Wenn sie fündig geworden ist, wird wohl auch klar sein, welche Spielräume die Neuauflage der Stellplatzverordnung läßt. Marco Carini

Interessenten an einem autofreien Wohnprojekt können sich beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) melden, Tel: 859511.

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