Koalition für Ostlöhne

■ CDU und SPD folgen dem Senat / Einigung mit den Gewerkschaften

Der wochenlange Konflikt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften im öffentlichen Dienst Ostberlins ist beendet. Gestern einigte sich der Koalitionsausschuß von CDU und SPD darauf, bis zur Sommerpause ein Haushaltsgesetz zur Angleichung der Löhne für die rund 118.000 Beschäftigten im Ostteil der Stadt einzubringen. Er folgte damit einer zuvor getroffenen Vereinbarung zwischen Senat und Gewerkschaften, über ein Stufenmodell mit Zulagen die Lohnanhebung vorzunehmen.

Ab dem 1. April 1995 sollen die Ostbediensteten 90 Prozent des Westgehalts, ab 1. November desselben Jahres dann 94 Prozent erhalten. Die volle Lohnangleichung, die sich an den Bruttolöhnen orientiert, erfolgt schließlich ab dem 1. Oktober 1996. Die Verabschiedung des Gesetzes im Abgeordnetenhaus soll noch im Juni erfolgen. Mit diesem Schritt geht Berlin weit über die Bestimmungen des bundesweiten Tarifvertrages vom Frühjahr dieses Jahres hinaus, der für den öffentlichen Dienst in Ostdeutschland eine Anhebung von derzeit geltenden 80 auf 82 Prozent im Oktober dieses Jahres und auf 84 Prozent im Oktober 1995 vorsieht.

Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), die mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine gemeinsame Tarifkommission bildet, verzichtete im Gegenzug auf die Forderung nach einer pauschalen Arbeitszeitverkürzung für die Ostbediensteten von 40 auf 38,5 Wochenstunden. „Jeder muß etwas einbringen“, rechtfertigte ÖTV- Chef Kurt Lange gestern den Verzicht der Gewerkschaft.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und der SPD-Landeschef Ditmar Staffelt waren sich gestern einig, daß der nunmehr erfolgte Schritt zu weiteren Einsparungen im Haushalt zwingt. Allein für 1995 bezifferte Diepgen die zusätzlichen Kosten auf rund 450 Millionen Mark. Insgesamt wird nach vorsichtigen Schätzungen des Senats die Angleichung bis 1996 rund eine Milliarde Mark kosten.

Woher das Geld im einzelnen kommen soll, ist angesichts der prekären Haushaltslage nach wie vor unklar. Dem Vorschlag von Diepgen, bei der Angleichung der Einkommen auf Landesvermögen zurückzugreifen, wollte der SPD- Landes- und Fraktionschef gestern nicht folgen. Dies sei die „persönliche Meinung“ des Regierenden. Diepgen hingegen schloß nicht aus, daß eine Reihe von derzeitigen Sonderregelungen bei den Tarifen in Ostberlin abgebaut werden müßten. Sowohl bei den „Einkommen als auch bei den Kosten“ müsse es zur Angleichung der Lebensverhältnisse kommen. Diepgen und Staffelt sehen ihren Schritt durch Gutachten gestützt, nach denen einseitige gesetzliche Zulagen keinen Verstoß gegen die Verbandssatzung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) bedeuteten. Dagegen betonte der TdL-Geschäftsführer Jürger Peter, jede Art von außertariflicher Zahlung, ob durch Parlamentsbeschluß oder Tarifvertrag, bedürfe der Zustimmung des Verbandes. Die TdL will am 13. Juni in einer Sondersitzung über den Alleingang Berlins beraten. Ein Ausschluß aus dem Gremium, für das die Mehrheit von 10 der 16 Bundesländer notwendig ist, wäre denkbar. Severin Weiland