Seichtes Flimmern kennt keine Grenzen

■ Satellitenantennen schießen weiter wie Pilze aus den Wänden, zumal sie immer billiger werden / Alle wollen Astra, doch nur die wenigsten wissen es / Meistangepeilter Satellit ist 36.000 Kilometer...

Von den einen wird sie geliebt, weil sie eine fast grenzenlose Fernsehberieselung ins Wohnzimmer bringt. Andere verfluchen sie aufgrund ihres häßlichen Aussehens: die Satellitenfernseh-Empfangsanlage, auch als Schüssel bekannt.

Zur Schüssel gehört allerdings noch ein Empfängergerät. Das sieht auf den ersten Blick wie ein Videorecorder aus und bereitet die Sat-Signale für das Fernsehgerät auf. Der TV-Apparat dient beim Satellitenempfang nur noch als Monitor, ähnlich wie beim Betrieb eines Videorecordes.

Daß die Schüsseln in den letzten Jahren wie Pilze aus den Wänden sprießen, liegt zum einen am Preisverfall der Anlagen: Rund zehntausend Mark mußte ein Satelliten-Pionier vor zehn Jahren noch auf den Tisch legen. Die Stiftung Warentest kam im Juli vorigen Jahres zu dem Ergebnis, daß ein guter Satellitenempfang schon für 550 Mark zu haben sei. Für viele ist damit Sat-TV eine Alternative zum Kabelfernsehen geworden. „Nach der Wende war die Nachfrage im Osten für etwa anderthalb Jahre ungeheuer groß,“ erinnert sich Evelyn Gernhardt, die gemeinsam mit ihrem Mann ein Fachgeschäft für Satelliten-TV- Empfangsanlagen betreibt. „Zeitweise ist der Umsatz um 50 Prozent gestiegen.“

Doch auch das Angebot wurde zunehmend attraktiver. Mittlerweile werden über 100 internationale Radio- und Fernsehprogramme durchs All geschickt. Seit Herbst 1993 lassen sich auch ARD und ZDF über den Astra-Satelliten empfangen. Im Gegensatz zum Otto Normalempfänger sitzt der stolze Schüsselbesitzer sogar gebührenfrei in der ersten Reihe.

Wer sich eine Empfangsanlage für Sat-TV zulegt, kann allerdings auch einiges mehr als 550 Mark ausgeben: Eine drehbare Schüssel, mit der mehrere Satelliten angepeilt werden können, geht immer noch beträchtlich ins Geld. Evelyn Gernhardt warnt vor Billigangeboten minderer Qualität: „Eine vernünftige, drehbare Anlage mit einem Spiegel von 1,8 Meter Durchmesser kostet allein in der Anschaffung an die 5.000 Mark. Die Installation schraubt den Preis nochmals um etwa 1.000 Mark hoch.“ Vor Eigenanbau warnt die Fachfrau, da die Bedienung des Steuergerätes und die Programmierung für Elektronik-Laien zu kompliziert seien.

Die von der Stiftung Warentest erprobten, feststehenden Sat-Antennen sind leichter zu montieren. Doch auch hier ist die Selbsthilfe nicht völlig problemlos: Wer seine Antennenanlage selbst aufbauen möchte, dem wird zu den Firmen Kathrein, Schwaiger und Zehnder geraten. Diese bekamen laut Test- Heft 7/93 „sehr gute“ Noten für Montage und Aufbau. Zu beachten ist vor allem die Ausrichtung nach Süden. Warentest: „Wer unsicher ist, ob Häuser, Büsche oder Berge die direkte Sicht zum Satelliten behindern, sucht sich kurz nach der Mittagszeit ein schattenfreies Plätzchen. Am frühen Nachmittag deckt sich der Standort der Sonne fast mit der Astra-Position. So steht die Antenne genau richtig.“

Die Medienlawine in den Griff bekommen

Die stationäre Ausrichtung auf den Astra-Satelliten bietet nicht nur den Vorteil der einfacheren Installation. Auch der Durchmesser der Schüssel bleibt vergleichsweise gering. Da die Abstrahlung von Astra recht stark ist, reicht ein Durchmesser von 60 Zentimetern in der Regel aus. Bei anderen Satelliten bedarf es meist größerer Antennen. Mit Astra können bereits 48 TV-Programme empfangen werden. Gernhardt: „In unserem Kundenkreis ist das der mit Abstand meistangepeilte Satellit.“

Selbst die 48 Programme des einen Satelliten sind den meisten Schüsselbesitzern mehr als genug. Mit dem Überangebot kommen viele TV-Glotzer nicht mehr mit. Deshalb wurde ein Mittel entwickelt, mit dem die Konsumenten die Medienlawine wieder in den Griff bekommen sollen: Der Twin-Receiver. Dieses Gerät ermöglicht es, einen Kanal zu gucken, während man einen anderen aufzeichnet.

Wer sich eine Satelliten-TV- Empfangsanlage zulegt, kann aber noch auf ganz andere Probleme stoßen: Beschwerden vom Hausbesitzer oder von Nachbarn, denen die Schüssel ein Dorn im Auge ist (siehe Bericht unten).

Zum Ärgernis können Sat-Antennen aber nicht nur aus optischen Gründen werden: Unzureichender Korrosionsschutz kann ebenfalls Unannehmlichkeiten verursachen. „Nicht nur, daß sich rostende Schrauben standhaft gegen jedes Drehen wehren, falls der Spiegel mal auf einen anderen Satelliten ausgerichtet werden soll, bei Regen wird der Rost auch abgewaschen und verursacht häßliche braune Flecken auf Wänden und Böden“, warnt die Stiftung Warentest. Wenn sich zudem der Schutzanstrich noch weitgehend ablöse, habe auch der Empfang bald Macken, da die ungeschützte Metallisierung, ohne die eine Parabolantenne nicht funktioniere, der Umweltbelastung nicht lange standhalte.

Wer sich vor diesen Tücken der Technik gewappnet hat, kann sich endlich ins Fernsehvergnügen stürzen. Sollten die 24 Stunden am Tag für die über 100 Programme nicht ausreichen, gibt es ja den Twin-Receiver. Lars Klaaßen