■ Neue Konzepte statt Mißtrauen
: Bewährtes Modell

Das Vertrauen in Europa ist angeschlagen. Zweifel machen sich breit, ob es die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme – allen voran die Arbeitslosigkeit – lösen kann. Europa muß demokratischer und solidarischer werden, um dieses Vertrauen wieder herzustellen. Dem Europäischen Parlament kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Wenn das Problem der Arbeitslosigkeit gelöst werden soll, müssen die Mitgliedsstaaten der EU sich auf eine kooperative Wirtschaftsstrategie für Wachstum und Beschäftigung einigen. In diesem Zusammenhang fordert der Europäische Gewerkschaftsbund, die Infrastrukturnetze auszubauen, was leider bislang nicht in ausreichendem Maße geschehen ist.

Im Dezember letzten Jahres legte die Europäische Kommission ein Weißbuch zur Wirtschaftspolitik vor. Es verknüpft Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung und stellt die Arbeitslosigkeit ins Zentrum einer künftigen Wirtschaftspolitik in Europa. Dieser dreifache Test, den Europa bestehen muß, ist aus unserer Sicht der einzig richtige Weg. Wachstum, Wettbewerbsfähgikeit und Beschäftigung müssen als drei gleichwertige Teilziele verfolgt werden.

Die Arbeitgeber machen es sich zu einfach. Wenn sie von der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit reden, dann sehen sie Flexibilisierung, Deregulierung und Sozialabbau als Wege dorthin. Ein zu simpler Ansatz für Leute, die für sich in Anspruch nehmen, in komplexen Zusammenhängen zu denken und zu handeln. Was die Wettbewerbsfähigkeit angeht, so gibt es Probleme, keine Frage, aber die Antwort darauf liegt in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Aus- und Weiterbildung, Industriepolitik und auch weltweite Handelsabkommen.

Das europäische Modell des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts hat seine Leistungsfähigkeit bewiesen. Es jetzt in Frage zu stellen hieße das Ziel zu gefährden, um das es geht, nämlich Arbeitsplätze zu schaffen. Auf dieses europäische Modell müssen wir uns auch weiterhin stützen, um unsere Wirtschaften zu erneuern. Reformen sind zwar auch heute notwendig, weil sich die Realitäten um uns herum geändert haben, aber sie dürfen das Modell als Ganzes nicht in Frage stellen.

Deshalb brauchen wir ein starkes Europaparlament, das dazu beitragen kann, diese Ziele zu verwirklichen. Eine starke Beteiligung an den Europawahlen gibt ihm die Legitimation und verleiht den nötigen Nachdruck, den es braucht. Emilio Gabaglio

Der Autor ist Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes in Brüssel