Zeugin bleibt bei Aussage

■ Sie beobachtete die Schießerei

Bremen (taz) – Sie sagte, was sie sah, und seither hat sie einen schweren Stand. Wegen ihrer Aussage wurde sie sogar anonym bedroht. Johanna Baron, Kioskverkäuferin auf dem Bahnhof von Bad Kleinen, hatte nach den Ereignissen des 27. Juni letzten Jahres ausgesagt, sie habe gesehen, wie GSG-9-Beamte auf Wolfgang Grams geschossen hätten.

Das Verfahren gegen die beiden Beamten stellte die Staatsanwaltschaft Schwerin ein. Der Verdacht, sie hätten den mutmaßlichen Terroristen auf den Bahnhofsgleisen der kleinen Ortschaft in Mecklenburg-Vorpommern regelrecht exekutiert, habe sich nicht bestätigt.

Daß sich Johanna Baron nachträglich eine solche Geschichte hätte zurechtlegen können, hält ihr Rechtsanwalt Bernhard Docke für völlig abwegig. „Weder ist Frau Baron eine Sympathisantin der RAF, noch hat sie irgendein Interesse gehabt, die eingesetzten GSG-9-Beamten in Verlegenheit zu bringen.“

Mehrfach, so bezeugte Baron, hätten zwei Personen auf eine in den Gleisen wehrlos liegende Person aus nächster Nähe geschossen. „Die Zahl der Schüsse betreffend“, räumt Docke ein, gibt es in ihren Aussagen „gewisse Nuancen“. Doch angesichts der wilden Schießerei, von der sie ja nicht ahnen konnte, daß es sich um eine geplante Festnahme handeln sollte, müsse auch Baron zugute gehalten werden, was bei mehrmaligen Vernehmungen zu komplexen Tatvorgängen die Regel sei. Daß sie im Kern bei ihrer Aussage bleibe: „Jeder der beiden Polizisten gab mindestens einen Schuß auf den liegenden Grams ab.“ Gegen die Einstellungsverfügung will der Rechtsanwalt der Eltern von Grams, Andreas Groß, heute Beschwerde einlegen. Sollte diese abgelehnt werden, kann vor dem Oberlandesgericht Schwerin noch ein Klageerzwingungsverfahren beantragt werden.

Die Aussichten auf Erfolg schätzt Docke eher gering ein. Nachdem BKA-Beamte zwecks der Abnahme von Fingerabdrücken veranlaßt hatten, dem im Krankenhaus gerade verstorbenen Grams die Hände zu waschen („eine mindestens im höchsten Maße dilettantische Spurensicherung“), könne wohl kein Gericht auf der Welt anders entscheiden als die Staatsanwaltschaft Schwerin. Die hatte nicht zuletzt aufgrund der Aussage seiner Mandantin das Verfahren gegen die Beamten eröffnet, es dann wegen widersprüchlicher Zeugenaussagen aber wiedereinstellen müssen. Wie dem auch sei: „Kommt es zu einem Verfahren, meine Mandantin würde ihre Aussage wiederholen.“ Godehard Weyerer