Ein Gerüst für Schlösser und Gärten

■ Die Schlösser und Parks von Berlin und Brandenburg werden in einer neuen Stiftung zusammengefaßt / Entwurf für Staatsvertrag soll heute im Senat verabschiedet werden, läßt aber noch viele Fragen offen

Fast nirgendwo zeigte sich preußische Kulturlandschaft durch die Teilung Berlins deutlicher zerrissen als zwischen Glienicke und Babelsberg. Nur der Blick über den Griebnitzsee ließ die Weite der Potsdamer Kunstlandschaft ahnen: Sacrow und Schloß Babelsberg schimmerten durch die Bäume, sogar der Ruinenberg von Sanssouci war vom Glienicker Park zu sehen. Seit dem Fall der Mauer fließt ein unentwegter Strom von Spaziergängern von Park zu Park und Schloß zu Schloß, deren Verwaltungen aber noch immer getrennt sind.

Am heutigen Dienstag soll der Senat den Entwurf für einen Staatsvertrag verabschieden, der die Schlösser und Gärten von Berlin und Brandenburg in einer neuen Stiftung zusammenfaßt. An diesem Akt der „Wiedervereinigung“ arbeiten beide Länder seit 1990. Die Abstimmung im Brandenburger Parlament steht ebenfalls noch aus. Das Gewicht an Zahlen und Figuren läßt ahnen, worum es in der Vorlage geht: um ein Gerüst. Der Entwurf sieht vor, daß der Etat der Stiftung, veranschlagt mit 72 Millionen Mark und einem Zuschußbedarf von 56,6 Millionen, zu 20 Prozent von Berlin, zu 43 Prozent vom Land Brandenburg und zu 37 Prozent vom Bund getragen wird. Die Langwierigkeit der Entscheidung, so Rainer Klemke, Sprecher des Berliner Kultursenators, sei in erster Linie der Mittelbeteiligung geschuldet: Vor allem der Bund habe Probleme gehabt, zu seinen finanziellen Zusagen zu stehen. Rund 500 Mitarbeiter wären zusammengerechnet für die 180 Baulichkeiten zuständig. Erwartet wird ein jährlicher Ansturm von 2,5 Millionen Besuchern.

Vorteile verspricht sich Klemke „in der Schloßverwaltung, in der Kontinuität der Zusammenarbeit und bei Möglichkeiten der Einsparung“. Der Stiftungsrat soll paritätisch besetzt werden. Den Generaldirektor, so Klemke, werde die Schlösserverwaltung Potsdam stellen. Berlin bringt in die „Stiftung preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg“ das Schloß Charlottenburg, das Jagdschloß Grunewald und das Schloß Glienicke ein. Deren Gärten, die Bezirksverwaltungen unterstehen, gehen später in die Stiftung ein. Nur die Pfaueninsel wird als Landschafts- und Architekturensemble integriert. Die Pfründe Brandenburgs schlagen deutlich mehr zu Buche: Park Sanssouci und der Neue Garten, historische Gebäude der Stadt Potsdam wie der Marstall oder das als Moschee verkleidete Dampfmaschinenhaus. Neu kommen die Schlösser und Gärten von Sacrow, Lindstedt und Jagdschloß Stern, Rheinsberg und Königs Wusterhausen hinzu, die heute zum Teil leerstehen und einer Ausstattung bedürften.

Die museale Mitgift Brandenburgs beinhaltet auch Zankäpfel unklarer Besitzverhältnisse. Außerdem konnten kommerzielle Begehrlichkeiten die Kunstinteressen aus dem Feld schlagen. Auf der „Wunschliste“ der neuen Stiftung steht etwa das 1662 von Philipp de Chieze gebaute Schloß von Caputh, das bisher, so der Pressechef der Stiftung Schlösser und Gärten Potsdam, Streidt, noch der Treuhandverwaltung untersteht. Mit seiner Ausstattung noch aus der Zeit des Großen Kurfürsten würde es – trotz seiner Umwidmung als DDR-Elektrobetrieb – einen historischen Ausgangspunkt der preußischen Macht- und Kulturentfaltung markieren.

Der Wunsch nach einer gemeinsamen Verwaltung kann sich auf die Geschichte berufen. Als nach der Revolution im November 1918 die Republik ausgerufen wurde, gehörte die Beschlagnahmung des Hohenzollern-Vermögens zu den ersten Bekanntmachungen der preußischen Volksbeauftragten. Die Gründung einer Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten zog sich zwar bis 1927 hin; die Ziele der Denkmalschützer aber standen bald fest. Die öffentlich zugänglichen Schlösser sollten Geschichte und Kultur im authentischen Zusammenhang von Architektur, Landschaftsgestaltung, Kunst und Kunstgewerbe dokumentieren und nicht nach Gattungen auseinandergerissen werden.

An diesen Gedanken der Wahrung eines möglichst großflächigen Kontextes schlossen sich der kürzlich verstorbene Jürgen Julier, Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin, und Hans Joachim Giersberg, Chef der Potsdamer Schlösser und Gärten, in ihrer gemeinsamen Argumentation für eine Wiedervereinigung und Neuordnung der auseinandergerissenen Museumsschlösser und Inventarien an.

Ob sich aber der dokumentarische Anspruch nicht in einen Wahn der Vollständigkeit verkehrt hat, ließ sich nicht nur aus Anlaß der Präsentation der letzten Neuerwerbungen für das Schloß Charlottenburg fragen. Denn die Beredtheit der Objekte als historisches Zeugnis erscheint oft erstickt durch die Pracht des Kontextes, der letztlich vor allem eine repräsentative Form der Macht spiegelt.

Allein das inhaltliche Konzept der Museumsschlösser ist nicht Gegenstand des Vertrags über die Stiftungsgründung. „Substantielle, das geistige Konzept betreffende Fragen der neuen Institution wurden bislang nicht ausreichend erörtert“, kritisierte der Denkmalpfleger Tilo Eggeling schon zu Beginn der Verhandlungen.

Die zentralen Funktionen, die etwa Schloß Charlottenburg und Sanssouci in der Stiftung haben werden, könnten zu Raubzügen durch die Schloßzimmer anderer Baulichkeiten führen, wollen doch diese schon mit jenem Inventar aus dem Stadtschloß glänzen, das über die Potsdamer Schlösser verteilt ist. Nicht harmonisch verlaufen bereits die Ansprüche auf Austausch zwischen den Museumsschlössern und den Staatlichen Museen zu Berlin. Denn dort prallen im Streit um die Besitzansprüche noch immer zwei verschiedene Auffassungen aufeinander, in welchem Kontext das einzelne Kunstwerk seine Geschichte und Inhalte am besten preisgibt. Katrin Bettina Müller/rola