IRA-Terror: Bombig versichert

In Großbritannien nimmt die Regierung den Versicherungen einen Teil ihres Risikos ab / Sonst bliebe Londons Innenstadt unversichert  ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – „Pool Re“, die britische Sonderversicherung gegen terroristische Anschläge, hat im vergangenen Jahr etwa 140 Millionen Pfund Verlust gemacht. Trotzdem ist ihr Geschäftsführer Keith Loney optimistisch und rechnet damit, daß der Verlust in diesem Jahr ausgeglichen werden kann – falls die „Irisch-Republikanische Armee“ (IRA) nicht erneut in Großbritannien zuschlägt.

„Pool Re“ ist ein Rückversicherungsfonds, den die britischen Versicherungsgesellschaften extra zur Abdeckung des Terrorismus-Risikos im Dezember 1992 gegründet haben – nachdem die britische Regierung sich der Versicherungsbranche gezwungenermaßen als „Rückversicherer in höchster Not“ zur Verfügung gestellt hatte. Zuvor nämlich wollten die gewerblichen Unternehmen keine Geschäftsgebäude mehr im IRA-bombengeplagten London versichern. Auslöser der Policen- Kündigungswelle war vor zweieinhalb Jahren der IRA-Anschlag auf das Gebäude der Baltic Exchange in der Londoner Innenstadt. Der Schaden betrug 350 Millionen Pfund. Dem Terrorismus-Fonds „Pool Re“ sind bisher 217 Versicherer beigetreten, darunter 88 Lloyds-Syndikate. An Prämien hat man bisher 222 Millionen Pfund eingenommen.

Die Regierung war ursprünglich davon ausgegeangen, daß pro Jahr 500 Millionen Pfund an Prämien in die Kassen von „Pool Re“ fließen würden. Doch schon damals warnte der Verband der Versicherungen, daß man wohl mit der Hälfte zufrieden sein müsse. Bereits vier Monate nach der Gründung von „Pool Re“ wurden sämtliche Kalkulationen von der Realität eingeholt: Im April vergangenen Jahres vernichtete eine weitere tonnenschwere IRA-Bombe 500.000 Quadratmeter Bürofläche in Bishopsgate, dem Herzen der englischen Hauptstadt. 20.000 Angestellte mußten vorübergehend umziehen. Der Schaden betrug 700 Millionen Pfund. Doch „Pool Re“ muß davon nur rund die Hälfte aufbringen, weil einige Firmen nicht versichert waren, andere noch durch ihre alte Versicherung gedeckt waren. Bisher hat das Unternehmen erst 47,6 Millionen Pfund ausbezahlt. Laut Vereinbarung zwischen der Versicherungsindustrie und dem Handelsministerium übernimmt die Staatskasse 90 Prozent der Kosten, nachdem der Fonds ausgeschöpft ist. Loney glaubt nicht, daß man darauf zurückgreifen muß.

Die Zuversicht, die „Pool Re“ und die ihm angeschlossenen Versicherer inzwischen ausströmen, ist neu. Die Versicherungsindustrie war anfangs dem Projekt gegenüber höchst mißtrauisch und drohte mit Boykott. Der Verband der Versicherer in Handel und Industrie (Airmic), dem mehr als 300 Unternehmen angehören, warf dem Handelsministerium vor, das Projekt im Alleingang durchgeboxt zu haben. Der EU-Rechtsexperte Pat Treacy meinte gar, daß „Pool Re“ möglicherweise gegen Artikel 85 der Römischen Verträge verstoße, weil durch die Absprachen der Versicherungsgesellschaften ein Monopol im Bereich der Versicherungen gegen terroristische Anschläge entstanden sei.

Und das Monopol setzte die Preise herauf: Im vergangenen Juli erhöhte „Pool Re“ die Prämien für die Versicherung von besonders gefährdeten Gebäuden in der Londoner Innenstadt um mehr als 300 Prozent. Kostete die Versicherung eines Gebäudes in der Londoner City im Wert von 500 Millionen Pfund bis dahin zwischen 175.000 und 262.500 Pfund, so muß man seitdem 720.000 Pfund im Jahr hinblättern. Für ein kleineres Gebäude im Wert von 100 Millionen Pfund, für das zuvor 51.000 bis 76.000 Pfund fällig waren, müssen jetzt 144.000 Pfund bezahlt werden. Andere Objekte, die weniger attraktive Angriffsziele der IRA abgeben, profitierten dagegen von einer Prämiensenkung.

Airmic verlangte ursprünglich, daß jede gewerbliche Versicherung landesweit mit einer Pflichtabgabe belegt werden sollte, um die Kosten gerechter zu verteilen. „Die Unternehmen sollten nicht mit hohen Prämien dafür bestraft werden, daß sie sich in der Londoner Innenstadt niedergelassen haben“, sagte Liz Taylor, die Vorsitzende von Airmic. „Alle Unternehmen im Vereinigten Königreich sollten etwas dazu beisteuern, weil es ein nationales Problem ist.“ Das hatte die Regierung jedoch bereits zur Gründung von „Pool Re“ im Jahr 1992 abgelehnt.

Woher kommt der Sinneswandel der Versicherungsunternehmen, die „Pool Re“ nun offenbar akzeptiert haben? Die Antwort liegt auf der Hand: Sie haben keine Wahl. Die Taktik einiger Versicherungsnehmer, nur vermeintlich hochgefährdete Gebäude gegen Anschläge zu versichern und die übrigen Objekte unversichert zu lassen, wurde vor einem Jahr schnell wieder aufgegeben. Damals zündete die IRA im Einkaufsviertel der nordenglischen Stadt Warrington – ein low risk area – zwei Bomben. Zwei Kinder starben, es entstand hoher Sachschaden. „Wenn ein Unternehmen ohne Versicherungsschutz schwer getroffen wird, ist es möglicherweise ruiniert“, sagte ein Sprecher von Airmic. „Was würden die Aktionäre und die Banken dazu sagen?“ Und die IRA hat in der Vergangenheit bewiesen, daß nicht mal englische Prestigeobjekte gegen Bombenanschläge wirksam zu schützen sind.