8,50 DM pro Stunde für eine Hausgeburt

■ Am Donnerstag werden Berliner und Brandenburger Hebammen aufgrund ihrer miesen Bezahlung in den Streik treten / Protest richtet sich gegen Seehofers neue Hebammenhilfe-Gebührenverordnung

Berlin (taz) – Für das Geld würde kein Maler die Bürste heben, kein Automechaniker den Schraubenschlüssel drehen. Freiberufliche Hebammen stützen und massieren dafür Kreißende, nabeln Neugeborene ab und tragen vor allem unvergleichlich mehr Verantwortung als Autoschrauber und Tüncher. Auf einen Stundenlohn von 8,50 Mark netto kommt eine Hebamme bei einer durchschnittlichen Hausgeburt. Jetzt wollen die freiberuflichen GeburtshelferInnen in Berlin und Brandenburg wegen der miesen Bezahlung zum erstenmal in den Warnstreik treten.

Am Donnerstag zwischen 14 und 18 Uhr werden die 250 freiberuflichen Hebammen in Berlin und in Brandenburg keine Hausbesuche machen, keinen Geburtsvorbereitungskurs leiten und keine Wöchnerin zur Nachsorge aufsuchen. Ein Notdienst allerdings steht bereit, um Kreißende auch während der Streikstunden betreuen zu können.

Mit dem Warnstreik wollen die freiberuflichen Hebammen bessere Gebührensätze erreichen. „Wir sind blöde, daß wir für das Geld noch arbeiten“, sagt Isolde Brandstädter, Präsidentin des Bundes Deutscher Hebammen (BDH). Bundesminister Horst Seehofer (CSU) hat zwar neue Gebührensätze festgelegt. Das ist den Hebammen aber zuwenig. Künftig sollen Hebammen beispielsweise 300 Mark für eine Hausgeburt bekommen (bisher 245 Mark). Die GeburtshelferInnen fordern aber 380 Mark für Hausgeburten, die nicht selten 14 Stunden dauern und bei denen die Hebammen mitunter auch am Damm schneiden und die Wunde dann nähen müssen.

Auch Hausbesuche zur Nachsorge werden schlecht bezahlt. Die Gebühr liegt derzeit bei ganzen 37 Mark pro Besuch, ganz gleich wie lange die Hebamme bleibt. Dabei begutachtet sie die verbliebenen Operationsnarben, überprüft den Gesundheitszustand des Neugeborenen und berät die Wöchnerin bei Stillproblemen. Für diesen Service wünschen sich die Geburtshelferinnen eine höhere Gebühr von 41 Mark und ein höheres Kilometergeld für die An- und Abfahrt von 1,50 Mark. Die mitstreikenden Brandenburger Kolleginnen sind noch schlechter dran als ihre Berliner Kolleginnen. Sie bekommen nur 75 Prozent der Westgebühren. Dabei müssen die Freiberuflerinnen aber „alle Abgaben selbst tragen“, gibt Isolde Brandstädter zu bedenken.

Mit dem Warnstreik wollen die Berliner und Brandenburger Druck auf ihre Länderregierungen ausüben, damit diese der von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) neu festgelegten Hebammenhilfe-Gebührenverordnung nicht zustimmen. Die Verordnung ist im Bundesrat zustimmungspflichtig.

In Deutschland praktizieren nach Angaben des BDH rund 3.000 freiberufliche Hebammen. 6.100 Hebammen arbeiten als Angestellte in Krankenhäusern. Freiberufliche Geburtshelferinnen verdienten bei einer Arbeitszeit von 60 bis 70 Wochenstunden im Durchschnitt etwa 2.000 Mark netto (Ost: 1.500 Mark). Angestellte Hebammen in Krankenhäusern kämen dagegen auf ein Anfangsgehalt von etwa 2.500 Mark netto, erklärte Brandstädter. BD