Magdeburg: Auch die Polizei jagte Ausländer

■ Gedächtnisprotokolle von überfallenen AusländerInnen veröffentlicht / Polizei sah den Aussagen zufolge nicht nur tatenlos zu – sie hat die Rechten sogar ermutigt

Magdeburg (AP) – Fast vier Wochen nach der Ausländerhatz am Himmelfahrtstag in Magdeburg sind erneut schwere Vorwürfe gegen die Polizei laut geworden. „Wir wurden von zwei Gruppen verfolgt – den Rechtsradikalen und der Polizei“, heißt eine Dokumentation mit Gedächtnisprotokollen von Betroffenen, die Pfarrer Jens-Martin Langner gestern in Magdeburg vorstellte. Sie soll nun mit der Bitte um Stellungnahme an Polizei und Justiz übergeben werden.

Darin berichtet etwa ein 20jähriger Asylbewerber aus Afrika, daß er auf der Flucht vor den Skinheads von einem Polizisten aufgehalten, niedergestoßen und schließlich auf eine Polizeistation gebracht wurde. „Ich mußte mich völlig entkleiden und zwei Stunden warten, bis ich mich wieder anziehen durfte und mit einem Wagen in ein anderes Polizeigebäude gefahren wurde“, gab der Mann weiter zu Protokoll. Bis zum nächsten Morgen habe er mit anderen Ausländern auf dem Boden eines Raumes liegen müssen, Decken habe es nicht gegeben.

„Plötzlich waren wir von Rechten umgeben, vor den Augen der Polizei“, erinnerten sich zwei andere Schwarzafrikaner. „Wir sahen mit eigenen Augen, wie uns ein Polizist den Mittelfinger zeigte.“ Es habe ausgesehen, „als wären an diesem Tag alle Einwohner Magdeburgs Rechtsradikale“. Auch Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien, die das Geschehen vom Rande her verfolgten, weil sie nicht als Ausländer erkannt wurden, bestätigten die Vorwürfe der Afrikaner. Und ein Kosovo-Albaner, der aus einer Telefonzelle heraus die Ereignisse beobachtete, zog den Schluß: „Die Polizei hat die Nazis ermuntert.“

Die Magdeburger Staatsanwaltschaft überprüft gegenwärtig auch die Vorwürfe gegen Polizisten, teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Rudolf Jaspers mit. Wegen einzelner Übergriffe gegen Ausländer ermittele man die Namen der daran beteiligten Beamten. Zudem seien bisher 62 Tatverdächtige im Zusammenhang mit den ausländerfeindlichen Ausschreitungen am 12. Mai bekannt. Gegen sechs der mutmaßlichen Randalierer sei Anklage wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung erhoben worden. Noch immer gebe es zahlreiche Fragen zum Ablauf der Geschehnisse in der Magdeburger Innenstadt. Es müsse auch geprüft werden, ob Ausländer ihr Recht auf Notwehr überschritten hätten, als sie mit Messern die Angriffe der Skinheads abwehrten. Der bei den Ausschreitungen schwer verletzte 24jährige Deutsche sei inzwischen aus dem Koma erwacht, sein Gesundheitszustand habe sich stabilisiert.