Der Kampf um die Dienstwohnung

■ Mit "flächendeckenden Warnstreiks" streitet die Deutsche Postgewerkschaft für den langfristigen Erhalt der bisherigen Sozialleistungen. Das letzte Gefecht der PostlerInnen auf dem Weg von der Behörde...

Mit „flächendeckenden Warnstreiks“ streitet die Deutsche Postgewerkschaft für den langfristigen Erhalt der bisherigen Sozialleistungen. Das letzte Gefecht der PostlerInnen auf dem Weg von der Behörde zum Privatunternehmen hat begonnen.

Der Kampf um die Dienstwohnung

Die PostlerInnen sind sauer. Angeblich, so geht das Gerücht, hätten sich die Arbeitgeber zwar bereit erklärt, Nachrufe und Kranzspenden für verblichene PostlerInnen auch weiterhin zu bezahlen. „Die meisten sozialen Leistungen aber sollen zur Disposition stehen“, empört sich ein Sprecher der Deutschen Postgewerkschaft (DPG). Solche Nachrichten heizen die Stimmung unter den Postbeschäftigten an.

„150 Kollegen von 1.000 Beschäftigten hier haben eine Dienstwohnung. Die befürchten natürlich, daß ihre Mieten künftig steigen“, erzählt Klaus Mielert, Personalrat im Postamt Luckenwalder Straße in Berlin-Kreuzberg. Eine bezahlbare Wohnung ist aber für Postangestellte in Ballungszentren (Durchschnittsgehalt für Zusteller: 2.500 Mark netto) soviel wert wie zwei Beförderungen auf einmal.

Berlin gehört zu den 50 Städten, in denen nach Schätzung der DPG bis zu 10.000 PostlerInnen in den Warnstreik treten werden. Gestern waren die Beschäftigten der Postschalter in einigen Städten in den Ländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Vom gestrigen Spätnachmittag an sollte der Warnstreik dann ausgeweitet werden. Betroffen sind unter anderem die Städte Berlin, Hamburg, Frankfurt, München, Stuttgart und Düsseldorf sowie Leipzig, Dresden und Chemnitz. Aber wohlgemerkt: immer nur einzelne Ämter, keinesfalls alle Poststellen in den Städten sollen bei den Warnstreiks mitmachen.

In der Nacht zu heute richtete sich der Warnstreikaufruf an die Belegschaften einzelner Briefverteilungsstellen. Heute soll das Fernmeldewesen dran sein. „Telefonvermittlungen, Entstörungsdienste, die Telefonauskunft“, zählt DPG-Streikleiter Rolf Büttner die betroffenen Dienste auf. Im Vergleich zur Gesamtzahl der 670.000 Postbeschäftigten nimmt sich die erwartete Zahl von insgesamt 10.000 Streikenden aber noch relativ bescheiden aus.

Die DPG wartet auf ein Zeichen der Arbeitgeber, doch noch den Erhalt der Sozialleistungen verbindlich zuzusichern. „Wir können den Streik noch Wochen oder Monate durchhalten“, versichert Büttner.

Fragt sich allerdings, was die Öffentlichkeit davon hält. Denn deren Meinung ist gespalten. Der Bund der Steuerzahler hat schon anläßlich der Warnstreiks in der vergangenen Woche gegen die Arbeitsniederlegungen protestiert und Sanktionen gefordert.

Auch Postkunden vom Postamt 61 in Berlin-Kreuzberg murren ob der Frage, was sie von geschlossenen Postschaltern halten sollen. „Wen trifft es denn? Doch die Postkunden!“ ereifert sich eine ältere Dame. „Schauen Sie sich doch die Schlangen an, die sich jetzt schon vor den Schaltern bilden! Wir dürfen doch ständig mehr für den Postdienst bezahlen, und der Service wird immer schlechter!“ Die DPG will sich von solcher Volkesstimme erst mal nicht beeindrucken lassen. „Wir müssen zu einer verbindlichen Regelung kommen“, sagt beschwörend Werner Zuchold, Gewerkschaftssekretär der DPG Berlin.

Als staatszerstörend aber möchte auch die DPG nicht gelten: Um die Europawahl am kommenden Sonntag zu sichern, bietet die Postgewerkschaft einen Notdienst an. Barbara Dribbusch/Elke Eckert