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Wenn der Postmann nicht klingelt

■ Warnstreiks: Mehr als zwei Millionen Briefe blieben liegen

Trotz strömenden Regens harrten rund dreißig Postler auch am Freitag nachmittag vor dem Postamt 11 in der Kreuzberger Möckernstraße aus, um ihre Streikbereitschaft zu signalisieren. Sie gehörten zu den 1.000 Berliner Postlern, die nach Gewerkschaftsangaben auch gestern mit Warnstreiks ihren Arbeitskampf fortsetzten. Bis heute früh werden im Postamt 11, nachdem gestern vormittag gearbeitet wurde, erneut keine Briefe abgefertigt.

Bereits am Donnerstag waren in dem Postamt etwa zwei Millionen Briefsendungen liegengeblieben. „Da konnten auch die paar Beamten, die morgens eingesetzt wurden um das Chaos zu bewältigen, nicht mehr viel ausrichten“, hat die Postarbeiterin Benita Unger beobachtet. Von den etwa 1.900 Beschäftigten in der Möckernstraße seien fast 1.500 gewerkschaftlich organisiert und würden sich am Streik beteiligen, berichtete die Gewerkschafterin. Deshalb gehe in diesem Postamt während der Warnstreiks auch so gut wie nichts mehr.

Sie und ihre Kollegen sind mittlerweile über die Berichterstattung in den Medien genauso sauer wie über die Vorschläge der Arbeitgeber. „Alle reden nur von Kranzgeld und Erfrischungsgetränken, auf die wir nicht verzichten wollen. Das ist doch absoluter Quatsch. Neunzig Prozent der Postdienstbeschäftigten gehören den unteren und mittleren Einkommensgruppen an und sind auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen“, rechtfertigte sie den Arbeitskampf. Außerdem würden andere Unternehmen auch Werkswohnungen unterhalten, zusätzliche Alters- und Krankenversorgung anbieten. Das sei doch kein Privileg der Postbediensteten, warf eine andere Kollegin ein.

Daß ausgerechnet die Postämter in der Möckernstraße und am Hauptbahnhof bestreikt werden, trifft die Berliner besonders hart. Denn dort werden alle Briefsendungen abgefertigt, die nach Berlin reinkommen oder die Stadt verlassen. Zu den in der Nacht von Donnerstag auf Freitag liegengebliebenen mehr als zwei Millionen Sendungen komme jetzt noch mal eine weitere Million hinzu, schätzt der Berliner Vorsitzende der Deutschen Postgewerkschaft, Bernd Lindenau. Er versicherte gestern jedoch, daß Eilsendungen und alle Briefe zur Europawahl am Sonntag auf jeden Fall abgefertigt würden.

Wer gestern die Auskunft anrief, bekam statt einer Rufnummer folgenden Tip zu hören: „Wegen einer Arbeitskampfmaßnahme ist die Fernsprechauskunft zur Zeit nicht besetzt. Bitte rufen Sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder an.“ Denn dem Streik hatten sich auch etwa 1.000 Beschäftigte der Fernsprechauskunft, des Auftrags- und Entstörungsdienstes angeschlossen.

Sollten in den Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag mit den drei Postunternehmen weiter keine Bewegung kommen, sei mit Arbeitsniederlegungen auch über das Wochenende sowie Anfang nächster Woche zu rechnen, kündigte Bernd Lindenau gestern an. Christiane Badenberg

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