Wasser bald mit Giftfilm

In Brüssel wird um die Pestizid-Richtlinie gefeilscht / Umweltminister zwar betroffen, aber EU-Landwirtschaftsminister dürfen entscheiden  ■ Von Alois Berger

Brüssel (taz) – Eigentlich könnten die Umweltminister der Europäischen Union beschließen, daß umweltschädliche Substanzen in der europäischen Landwirtschaft nicht mehr verwendet werden dürfen. Aber das sei schlechter Stil, heißt es dazu aus dem deutschen Umweltministerium. Es gebe zwar offiziell nur einen Ministerrat, aber es habe sich nun einmal eingebürgert, daß über Forschung die Forschungsminister, über Umwelt- die Umweltminister und über Landwirtschaft eben die Landwirtschaftsminister befinden.

Nun basteln aber die Agrarminister der Zwölf an einer neuen Pestizidrichtlinie, die zwar auch die Landwirtschaft betrifft, aber erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Richtlinie der Umweltminister hat. Wenn Jochen Borchert (CDU) und seine Kollegen dem Drängen der Agarchemiker im Labor und auf den Feldern nachgeben – und danach sieht es aus –, dann wird die bestehende Trinkwasserrichtlinie der Umweltminister nicht zu halten sein.

Seit über zehn Jahren gilt für Trinkwasser in der EU, daß jeder Liter insgesamt höchstens ein halbes Millionstel Gramm an Pestiziden enthalten darf. Aber wenn die Bauern oben mehr oder härtere Drogen über die Äcker streuen dürfen, dann müssen die Umweltminister in ein paar Jahren entweder den Trinkwasser-Notstand ausrufen oder eine neue Trinkwasserrichtlinie schreiben, die dem Bürger ein bißchen mehr Gift im Wasser zumutet. Schon jetzt arbeitet die Europäische Kommission an einer Überarbeitung der Richtlinie. Geplant sind einzelne Grenzwerte für individuelle Chemikalien, die sich dann in der Gesamtsumme zu einer beliebig hohen Belastung addieren können.

Am Rande ihres Treffens am Donnerstag in Luxemburg haben die Umweltminister beim Mittagessen auch über die Pestizidrichtlinie gesprochen. Wie üblich sind der dänische, der niederländische und der deutsche Umweltminister besorgt, während die anderen mehr Vertrauen in ihre Kollegen von der Landwirtschaft haben. Immerhin wollen sie den Agrarministern einen gemeinsamen Brief schreiben, in dem sie ganz fest darauf hinweisen werden, daß es so nicht ginge, daß jede Ministerratsrunde vor sich hin bosselt. Ein Gesamtkonzept sei nötig, in dem Pestizid- und Trinkwasserrichtlinie irgendwie abgestimmt würden.

Ob die Agrarminister darauf eingehen werden, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, daß sie am 20. Juni an der geplanten Richtlinie über die Zulassung von Pestiziden weiterfeilen wollen. Die griechische EU-Präsidentschaft hat dafür einen Vorschlag vorgelegt, aus dem unter anderem hervorgeht, daß der flächendeckende Schutz des Grundwassers aufgehoben wird und nur noch da, wo Trinkwasser gewonnen wird, ein Kriterium für die Zulassung von Pestiziden sein soll. Ziel ist, in allen Mitgliedsländern einheitliche Kriterien für die Zulassung zu finden.

Die Sorge der Umweltminister gründet sich darauf, daß eine solche Harmonisierung erfahrungsgemäß in manchen Ländern zum Verbot einiger weniger Stoffe führt, in anderen Ländern aber zur Wiedereinführung bereits verbotener Agrargifte – zum Beispiel Atrazin, das in der Bundesrepublik seit 1991 verboten ist. Der deutsche Agrarminister Borchert hat in den letzten Monaten schon durchblicken lassen, daß die heute zugelassenen Gift-Cocktails der aktuellen Immun-Situation der deutschen Äcker nicht mehr gerecht werden.