Weichenstellung für Frieden mit Israel

Jordanien verhandelt über Grenzen und Wasser / Vor einem Friedensvertrag will die Regierung in Amman Fortschritte in der Flüchtlingsfrage und dem Streit um Jerusalem sehen  ■ Aus Amman Khalil Abied

„Die Entscheidung, Frieden mit Israel zu schließen, ist längst gefallen“, erklärt einer der führenden Politiker Jordaniens. „Aber bitte zitieren sie mich nicht mit Namen“, fügt er hinzu. Spätestens seit vergangenen Mittwoch Delegationen Israels und Jordaniens in Washington gemeinsame Wirtschaftsprojekte vereinbart haben, weiß jeder in Amman, daß die Unterzeichnung eines israelisch-jordanischen Friedensvertrages bevorsteht. Dennoch bereitet es den Politikern Schwierigkeiten, dies auch auszusprechen. Immerhin befindet sich das Haschemitische Königreich offiziell seit 1967 im Kriegszustand mit dem „zionistischen Feind“.

„Wenn wir den Schritt nicht getan hätten, währen wir ins Hintertreffen geraten“, meint der Politiker, der in Jordanien zu den „Machern“ gezählt wird. Insgeheim führten auch andere arabische Regierungen Verhandlungen mit den Israelis, so der Politiker weiter. Die Vereinbarungen seien zustande gekommen, weil sich die israelische Regierung bereit erklärt habe, „auch über die Grenze und das Wasser zu diskutieren“.

Der umstrittene Verlauf der Grenze zwischen Jordanien und der israelisch besetzten Westbank sowie die Nutzung des Wassers der Flüsse Jordan und Jarmouk gehörten bisher zu den Tabuthemen der israelischen Regierung. Umgekehrt weigerte sich die jordanische Seite, zu verhandeln, solange diese Themen nicht auf der Tagesordnung stehen. In Washington einigten sich beide nun auf eine Agenda für zwei Verhandlungskomitees. Sie sollen letzte Differenzen in Sachen Grenze, Wasser und Umwelt ausräumen und im Juli mit der Arbeit beginnen.

Die jordanischen Verhandlungsführer hoffen, zwei von Israel okkupierte Gebiete zurückzubekommen. Ein 360 Quadratkilometer umfassender Streifen liegt im Süden der Grenze, ein zwei Quadratkilometer umfassender Fleck im Norden. Außerdem wirft Jordanien Israel vor, große Teile des Wassers aus dem Jarmouk und dem Jordan zu „stehlen“, die das Wüstenkönigreich dringend benötigt. In Amman ist man daher auf gemeinsame Wasserprojekte erpicht.

In israelischen Zeitungen wurde berichtet, der Einigung von Washington sei in der vergangenen Woche ein Geheimtreffen zwischen Jordaniens König Hussein und Israels Regierungschef Jitzhak Rabin in London vorausgegangen. In Amman registrierte man nur, daß der Monarch für einige Tage spurlos verschwunden war.

Anders als sein anonymer Kollege legt Jordaniens Informationsminister Dschawad Anani Wert auf die Feststellung, daß seine Regierung nur dann Wirtschaftsbeziehungen zu Israel aufnehmen werde, wenn die Arabische Liga den Handelsboykott gegen den ehemaligen Feind aufhebe. In der Schlußerklärung von Washington sind allerdings gemeinsame Projekte derart detailliert festgehalten, als sei dieser Beschluß nur noch eine Formsache. Da ist vom Bau eines Kanals zwischen dem Toten und dem Roten Meer die Rede und von einer Straße, die Jordanien über Israel mit Ägypten verbindet. Nach Ananis Darstellung werden sich jordanische und israelische Spezialisten noch in diesem Monat mit der konkreten Planung der Projekte befassen. „Es wird Zeit brauchen, bis die Entwürfe fertig sind“, meint er. Und dann sei da noch „die Frage der Finanzierung“.

Die Washingtoner Vereinbarungen werden jedenfalls „nicht automatisch“ zu einem Friedensvertrag führen. Zuvor müsse „der Status von Jerusalem geklärt“ und „das Problem der palästinensischen Flüchtlinge in Jordanien gelöst“ werden. Israel beharrt bisher darauf, daß Jerusalem unteilbar und Hauptstadt Israels sei. In der arabischen und islamischen Welt hat die Stadt einen ungeheuren Symbolwert. „Eine Lösung, die nicht arabische, islamische und christliche Rechte respektiert, ist für uns wie für alle arabischen und islamischen Staaten inakzeptabel“, betont Anani.

Die Frage der in Jordanien lebenden palästinensischen Flüchtlinge wird ähnlich schwer zu lösen sein. Laut den Akten des UN- Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge UNRWA sind es über eine Million, also fast 27 Prozent der Bevölkerung. Die Mehrheit von ihnen besitzt die jordanische Staatsangehörigkeit. In den Verhandlungen mit Israel könne die jordanische Regierung deren „Rechte nicht ignorieren“, meint Anani. Viele von ihnen hätten die Hoffnung nie aufgeben, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Und „nach internationalem Recht haben viele Anspruch auf Entschädigung“. – Ausschlaggebend für die Entscheidung König Husseins, ein Abkommen mit Israel zu schließen, dürfte ein Blick in die Staatskasse gewesen sein. Der anonyme Politiker macht die „offizielle jordanische Haltung gegenüber Israel“ für die Misere der jordanischen Wirtschaft verantwortlich. Schlüsselbereiche der Ökonomie des Landes werden von Palästinensern kontrolliert. Viele von ihnen stehen PLO-Chef Jassir Arafat nahe. Weil die politische Führung Jordaniens das „Gaza-Jericho-Abkommen“ geißelte, hätten diese „sich geweigert, in die Wirtschaft des Landes zu investieren“.

Um einen Friedensschluß mit Israel möglich zu machen, bildete der König in der vergangenen Woche die jordanische Regierung binnen 24 Stunden komplett um. Von den 18 neuen Ministern kommen zehn aus dem Parlament, die anderen sind einflußreiche Politiker aus den Provinzen. In Amman werden sie als die „Friedensregierung“ gehandelt.