Ausnahmezustand in Haiti

■ „Präsident“ setzt auf Nationalismus

Port-au-Prince/Berlin (taz/ AFP) – Emile Jonaissant, der international nicht anerkannte, von den Militärs eingesetzte „Präsident“ Haitis, hat gestern den Ausnahmezustand ausgerufen. Der Marionetten-Staatschef reagierte damit auf die Ankündigung der USA und Kanadas vom Freitag, die Sanktionen gegen Haiti nochmals zu verschärfen und eine Militärintervention nicht auszuschließen. Ab dem 25. Juni sind alle kommerziellen Flüge nach Haiti untersagt. Bis dahin soll etwa die Hälfte der 150 MitarbeiterInnen der US-Botschaft in Port-au- Prince das Land verlassen haben.

Auch auf der Sitzung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) war in der vergangenen Woche eine Militärintervention in Haiti nicht ausgeschlossen worden, um die Rückkehr des gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide in sein Amt durchzusetzen, aus dem er 1991 durch einen Militärputsch verdrängt worden war.

Aristide hatte auf der OAS-Sitzung vehement eine baldige militärische Aktion gefordert. Mehrheitlich hatten sich die OAS-Staaten jedoch dafür ausgesprochen, zunächst die Wirkung der Wirtschaftssanktionen abzuwarten.

Gleichzeitig aber forderte die OAS, eine UN-Mission nach Haiti zu entsenden, die Polizei und Armee des Staates reformieren sollte. Solch eine Mission war schon einmal gescheitert, als im Oktober vergangenen Jahres die Landung eines US-Marine-Schiffes mit 200 Soldaten durch bewaffnete Kräfte im Hafen von Port-au-Prince verhindert wurde.

Angesichts der sich verschärfenden Rhetorik setzt „Präsident“ Jonaissant auf die nationale Karte. Während der gewählte Präsident Aristide auf der OAS-Sitzung noch seine Überzeugung geäußert hatte, das haitianische Volk werde sich einer Militärintervention nicht widersetzen, donnerte Jonaissant jetzt in einer in Radio und Fernsehen übertragenen Rede zurück: „Haiti weicht nicht, Haiti leistet Widerstand!“ Er habe Armeechef Cedras angewiesen, sich „auf jede Möglichkeit vorzubereiten“, erklärte Jonaissant. „Die Geschichte, die Verfassung und der Fortbestand unserer Grundwerte verbieten mir, den Drohungen zu weichen. Sie gebieten mir, das gefährdete Vaterland mit allen Mitteln zu verteidigen.“ Die HaitianerInnen sollten alle Kräfte mobilisieren, um dem „Feind“ Einigkeit zu demonstrieren.

Trotz allen Säbelrasselns ging die abweisende Politik der US- Einwanderungsbehörden gegen haitianische Flüchtlinge unverändert weiter: Am Donnerstag, so erfuhr die Nachrichtenagentur AFP erst jetzt, wurden 396 haitianische Flüchtlinge auf Schiffen von der US-Küstenwache abgefangen und umgehend nach Port-au-Prince zurückgebracht. pkt