■ Neues Motivierungsprogramm für polnische Polizisten
: Gegen Autofahrer und Hausbesitzer

Warschau (taz) – Polens Regierung hat dieser Tage einige höchst löbliche Entscheidungen getroffen, die ihr die Unterstützung weiter Kreise der Bevölkerung sichern werden. Zuerst soll die Höhe von Strafzetteln verzehnfacht und anschließend die Höhe der Immobiliensteuer vervielfacht werden. Beides zusammen wird unabänderlich zu einem drastischen Absinken der Kriminalitätsrate führen. So hofft der Innenminister. Die Logik dahinter: Polens Polizisten sind unterbezahlt und unmotiviert.

Bereits mehrfach wurden Fälle bekannt, in denen sie von Gaunern gejagt wurden, statt umgekehrt – was nicht nur an ihrer schlechten Bezahlung, sondern auch am Mangel an Computern und Faxgeräten liegt. Doch nun kann die Vision von gutbezahlten Polizisten, die hochmotiviert selbst bis an die Zähne bewaffnete Banditen unerschrocken mit Faxgeräten bewerfen, endlich Wirklichkeit werden. Schon bisher galt nämlich bei der Verkehrspolizei die Regel: „Zahl die Hälfte, aber ohne Quittung“ – was bedeutet, daß der Betrag in die Taschen der Beamten wanderte. Leider waren das keine großen Beträge. Bereits vor einem Jahr hatte der Innenminister deshalb ein Einsehen und führte eine Punktekartei ein. Seither hat sich das Einkommen der Polizisten verdoppelt. Die Maxime lautet: „Zahl den vollen Preis ohne Quittung, und wir vergessen die Punkte.“ Und den Verkehrssündern blüht nun eine Verzehnfachung der Strafzettel: Statt bisher umgerechnet 50 DM werden es bald 500 sein. Ähnlich soll auch die Strafe fürs Häuslebauen bemessen sein, 10 Prozent jährlich vom Wert des Hauses, berichtete eine Zeitung. Der Finanzminister dementierte: Ganz soviel werde es nicht sein, aber erhöht wird. Ein normales Einfamilienhaus kostet in Polen zwischen ein und zwei Milliarden Zloty (100.000 bis 200.000 DM), die Steuer pro Monat wäre damit doppelt so hoch wie ein Durchschnittseinkommen. Das zeitigt in doppelter Hinsicht heilsame Folgen: Keiner wird mehr Häuser bauen, womit sich die Sicht für die Autofahrer erheblich verbessert und sich die Verkehrssicherheit ein weiteres Mal erhöht. Und wer ein Haus hat, muß es bald verkaufen, um die Steuerschulden bezahlen zu können. Nur Polizisten werden dann noch in der Lage sein, sich Häuser zu leisten. Innerhalb kürzester Zeit wird Polen so über eine hochbezahlte und noch höher motivierte Polizei verfügen, ohne daß der Innenminister dafür auch nur einen Zloty mehr als bisher ausgeben muß.

Nur mit einem haben Innen- und Finanzminister nicht gerechnet: mit dem polnischen Meldegesetz. Da wäre zum Beispiel Kinga, eine Bekannte aus Schlesien, die schon lange nicht mehr da wohnt, wo sie gemeldet ist, unter anderem deshalb, weil ihre ehemalige Sozialwohnung inzwischen von einem wilden Mieter besetzt wurde. Wie das in Polen so üblich ist, hat der die Türen aufgebrochen und die Schlösser ausgewechselt, zahlt keine Miete, und keiner kann ihn rauswerfen, weil man ihm dann eine Ersatzwohnung anbieten müßte. Und da es in Polen zuwenig Wohnungen gibt, wirft ihn keiner raus, und Kinga wohnt jetzt eben woanders. Doch in ihrem Personalausweis ist immer noch die alte Adresse eingetragen. Wenn sie jetzt also in eine Radarfalle gerät, behauptet sie, kein Geld dabeizuhaben, und zeigt ihren Ausweis vor. Innerhalb von ein paar Tagen schickt ihr die Polizei dann eine Rechnung. Theoretisch. Denn in der Praxis landet die Rechnung natürlich bei dem wilden Mieter. Und der dürfte einigermaßen überrascht sein, daß er 300 km von zu Hause mit Tempo 130 über eine Baustelle gerast sein soll. Er ist nämlich Rollstuhlfahrer und verläßt seine Wohnung äußerst selten. Klaus Bachmann