■ Mit EU-Finanzspritzen auf du und du
: Tschernobyl-Poker

Berlin (taz/dpa/AP) – Um den Weiterbetrieb der Atommeiler in Tschernobyl wird mit hohem Einsatz gepokert. Die EU-Kommission hat in einem am Wochenende bekanntgewordenen Angebot der ukrainischen Regierung 3,5 Milliarden Mark versprochen, wenn sie die beiden noch laufenden Reaktoren in Tschernobyl abschaltet.

Eine Milliarde Mark Hilfen soll das Land für die Stillegung und die Sicherung des Sarkophags rund um den Katastrophenreaktor Nummer vier erhalten. Noch einmal 1,5 Milliarden Dollar könnten für die Nachrüstung dreier im Bau befindlicher Atomkraftwerke an anderen Orten in der Ukraine auf westliche Sicherheitsstandards verwandt werden.

Auch Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Präsident François Mitterrand wollen auf dem EU-Gipfel in Korfu ein Hilfspaket vorbereiten, das der ukrainischen Regierung nach dem Gipfel der sieben größten Industriestaaten im Juli präsentiert werden könnte.

Die Regierung in Kiew aber reagiert nach wie vor kühl auf die finanziellen Angebote. Das Geld nähme man schon gerne, nur abschalten will man nicht. Das AKW in Tschernobyl erzeugt zwar nur sieben Prozent des Stroms im Land, und der Stromverbrauch sinkt seit einigen Jahren wegen der Wirtschaftskrise. Das Kraftwerk ist aber einer der größten zahlenden Arbeitgeber im Land. Kein unwichtiger Faktor wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl, bei der der ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk bestätigt werden möchte. Krawtschuk hat in den vergangenen Monaten den Preis, den die Regierung für die Schließung von Tschernobyl verlangt, von 3,5 Milliarden Mark auf über 20 Milliarden Mark erhöht, schreibt die Financial Times.

Auch die New York Times berichtet, die Ukraine wolle das Atomkraftwerk in Tschernobyl gar nicht stillegen. Es gebe eine geheime Anweisung Krawtschuks diesen Inhalts. Vielmehr wolle die Ukraine sogar den 1991 nach einem Brand stillgelegten zweiten der vier Reaktorblöcke von Tschernobyl wieder in Betrieb nehmen. Der einzige Teil des AKW, der außer Betrieb bliebe, wäre dann der Unglücksreaktor von 1986.

Um den Energiemangel des Landes zu beheben, plant die Ukraine nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax den Bau des zweitgrößten Windkraftwerks der Welt. Die Anlage solle in Zusammenarbeit mit zwei US-Unternehmen innerhalb von drei Jahren im Gebiet um Danuslaw auf der nach Unabhängigkeit von Kiew strebenden Halbinsel Krim errichtet werden. Ihre Leistung solle 500 Megawatt betragen. Das größte Windkraftwerk der Welt befindet sich im US-Bundesstaat Kalifornien. ten