Zwölf Wahlen machen noch kein Europa

■ Im Europaparlament sind die Gegner der Union stärker geworden / Öko-Parteien geschwächt

Berlin (taz) – Sie sollten europäisch wählen und haben zwölfmal national räsonniert: Fast überall verpaßten die EuropäerInnen ihren nationalen Regierungen am Sonntag Denkzettel. Besonders hart traf es die spanischen SozialistInnen und die britischen Konservativen, die weit abgeschlagen auf zweiten Plätzen landeten. Aber auch in den anderen Ländern handelten sich die Regierungsparteien Schläge ein. Ausnahmen von dieser Regel machten nur zwei Länder: Italien, das gerade gewählt hat und seine Entscheidung samt dem Votum für die NeofaschistInnen bestätigte, und Deutschland, das im Oktober wählt und Dauerkanzler Helmut Kohl einen bequemen Sieg verschaffte.

269 Millionen EuropäerInnen waren aufgerufen, das Straßburger Parlament zu wählen. 43 Prozent von ihnen gingen erst gar nicht hin. In Portugal und den Niederlanden verweigerten sogar 65 Prozent der Wahlberechtigten die Stimme. Bei dem Rest ist die Motivation schwer zu ergründen, zumal in Griechenland, Belgien und Luxemburg, wo eine gesetzliche Wahlpflicht zum Urnengang zwingt.

Herausgekommen ist ein Parlament, das ganz entschieden nach rechts gerückt ist. Es ist konservativer, nationalistischer, populistischer, unionsfeindlicher und rechtsextremer besetzt als zuvor. Die bislang stärkste Fraktion, die SozialistInnen, ist durch zahlreiche nationale Niederlagen empfindlich geschwächt. Als einzige sozialistische Partei zahlenmäßig stärker geworden ist die Labour Party aus Großbritannien. Sollte die neue sozialistische Fraktion dennoch aus den nun anstehenden Fraktionsverhandlungen als größte Gruppe hervorgehen, hätte sie das neu zu ihr gestoßenen Populisten wie dem Franzosen Bernard Tapie zu verdanken. Die konservative Fraktion der Europäischen Volksparteien hat stark dazugewonnen. Das verdankt sie unter anderem Parteien, die einen Wahlkampf gegen die Europäische Union gemacht haben. Möglicherweise wird ihr auch die italienische Regierungspartei „Forza Italia“ beitreten, deren europäische Positionen noch völlig unbekannt sind. Auch die französischen Maastricht-GegnerInnen, die Liste „l'Autre Europe“, sind als Mitglieder der Europäischen Volkspartei im Gespräch. Ebenfalls gestärkt sind die europäischen Rechtsextremen. Mit zehn dazugewonnenen Sitzen haben sie nun 27 der 567 Mandate inne. Stärkste rechtsextreme Gruppen im Europaparlament sind die italienische Alleanza Nazionale (14 Abgeordnete) und die französische Front National (11 Abgeordnete). Die Deutschen haben diesmal keine „Republikaner“ nach Europa gewählt.

Entschieden geschwächt sind die Öko- Parteien. Sie stürzten von 41 auf 29 Sitze ab – in Frankreich verschwanden sie nach öffentlich ausgetragenen innergrünen Querelen völlig von der Bildfläche. Bei der Grünenfraktion im neuen Europaparlament werden die Deutschen mit 12 Abgeordneten den Ton angeben.

Die Europäische Union bekommt zum Jahresende einen Nachfolger Jacques Delors', auch die Kommission muß neu besetzt werden. Das Europaparlament hat dabei Mitspracherecht. So, wie es jetzt zusammengesetzt ist, wird sich die konservative Wende des Europaparlaments auch in Brüssel fortsetzen.