Sanssouci
: Vorschlag

■ Über den amerikanischen Stummfilm – James Card im Arsenal

„In meinem vorigen Leben muß ich ein preußischer Offizier gewesen sein“, behauptet der amerikanische Filmliebhaber James Card und erzählt, wie er sein Herz an Deutschland verlor, als er während der dreißiger Jahre in Heidelberg studierte. Auch 1939 war er in Europa und filmte den Einmarsch der deutschen Truppen in die Geisterstadt Danzig. Da er jedoch keine gültige Filmerlaubnis vorweisen konnte, landete er bei der Gestapo und kam nur frei durch die Intervention eines Offiziers, der ehemals als Kriegsgefangener Louise Brooks in „A girl in

every port“, 1928Foto: Arsenal

in Hoboken gut behandelt worden war. Zur Zeit ist James Card wieder in Deutschland, am Montag war er im Amerika-Haus, wo ein Videoband mit seinen Berlin-Aufnahmen von 1939 wegen technischer Schwierigkeiten leider nicht gezeigt werden konnte.

Dafür gab es eine Kompilation seiner Lieblingsverführungsszenen aus der Stummfilmzeit zu sehen. „Seductive Cinema: The Art of Silent Film“ – so heißt auch James Cards soeben in den USA (New York: Alfred A.Knopf) erschienenes Buch. Der Mitbegründer der International Museum of Photography at George Eastman House in Rochester, New York, und langjährige Leiter der dortigen Filmabteilung bringt darin seine Liebe zum Kino zum Ausdruck, die zurückreicht bis in die zwanziger Jahre. Er erzählt aus einer Zeit, als man sich zum Kinobesuch noch feinmachte und in den vornehmen Filmpalästen das Essen während der Vorstellung streng verboten war. Vor allem aber erzählt er von der Liebe zu den Stars, jenen illusionären Schattenfiguren der Leinwand. Pola Negri, Erich von Stroheim, Rudolph Valentino, Greta Garbo, John Gilbert, Norma Shearer, Gloria Swanson, Louise Brooks... Viele von ihnen kannte er persönlich, und so weht ein Hauch von Glamour durch die üppig illustrierten Seiten. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und einem bibliographischen Apparat wird man hier vergeblich suchen, dafür ist das Buch um so reicher an Anekdoten und Erinnerungen.

Aus der bunten Mischung von europäischen und amerikanischen Stars und Produktionen spricht deutlich die Internationalität des Kinos jener Jahre. Der Stummfilm galt vielen als Esperanto, als eine universal verständliche Sprache. Als um 1929 die ersten Tonfilme auf den Markt kamen, wurden sie von vielen als Zerstörung dieser Kunst empfunden und mehrere Jahre lang boykottiert. In Cards Erzählungen wird die damalige Faszination des Kinos wieder lebendig. Seinen Vortrag ergänzt er durch ein Begleitprogramm von Filmen aus seiner privaten Sammlung. Im Rahmen der Reihe „Die Kunst des amerikanischen Stummfilms“ im Arsenal wird James Card heute eine Rarität vorstellen: „Stark Love“ von 1927. Deniz Göktürk

„Stark Love“ von Karl Brown (OF, am Klavier: Karl Henn), heute, 20 Uhr im Arsenal, Welserstraße 25, Schöneberg.