■ Landowsky und der Ostwähler
: Undankbares Volk

„Jede freie Mark haben wir in den Osten geschaufelt. Nun stehen wir im Westen unter Erklärungsdruck, ob diese Politik richtig war“, grollte der CDU-Fraktionsvorsitzende Landowsky, nachdem die Ostberliner seine Partei am vergangenen Sonntag zur Splitterpartei degradierten. Die Aussage ist eine durchaus berechnete Geste gegenüber einer kleingeistigen Frontstadtklientel, die klammheimlich längst die Mauer wieder zurückhaben möchte, weil ihr der Osten unheimlich ist. Sie ist aber noch mehr. Der alterfahrene Steuermann der Berliner CDU, der möglicherweise ein solches Phänomen in Westberlin nie erfahren hat, offenbart zugleich sein Erstaunen, daß Menschen nicht käuflich sind. Wer über eine solche Enttäuschung dann die finanziellen Aufwendungen für den Osten in Frage stellt, zeigt unverblümt, nach welcher Pfeife hier getanzt werden soll. Man braucht nicht Bert Brecht zitieren, der den Herrschenden einst empfahl, ein neues Volk zu wählen, wenn ihr das eigene nicht behagt. Aber was Landowsky formuliert, ist eine kolonialistische Manier, die nicht gewillt ist, die Menschen noch ihre Handlungen und Motive zu verstehen. Wer nölt, die Ostler wären auch nicht zufrieden, wenn man ihnen 120 Prozent Westgehalt zubilligen würde, der hat den Dialog längst abgebrochen. Der kann sich nur noch wundern, daß die Menschen nicht wie erwartet immer weniger die PDS wählen, sondern immer öfter dort ihr Kreuzchen machen, obwohl es den Ostdeutschen immer besser geht. Wer immer bei der Erwähnung der PDS eilfertig „SED-Nachfolgepartei“ nachschiebt, hält die Menschen in Ostdeutschland schlicht für zu blöde. Denn erstens sind es nicht mehr die alten Kader, die dort das Sagen haben, und zweitens geht es um etwas anderes. Trotz der Sorge um sichere Arbeitsplätze und bezahlbare Mieten: Zentral ist der Wunsch, die eigene Identität akzeptiert zu sehen. Wer dies negiert, der wird bei Wahlen immer neue Überraschungen erleben. Die PDS sollte Landowsky jedenfalls schleunigst zum Ehrenmitglied machen. Solch ein Wahlhelfer findet sich nicht so häufig. Gerd Nowakowski

Siehe auch die Interviews auf den Seiten 18 und 19