Mit Luftballons will sich GEW nicht zufriedengeben

■ Nahezu fünfzigtausend LehrerInnen demonstrierten für die Gleichstellung ostdeutscher Pädagogen / Öffentlicher Dienst: Senat will gegen Ausschluß klagen

Die Plakate auf der gestrigen Demonstration der Gewerkschaft Erziehung und Ausbildung (GEW) in Berlin zeigten deutlich, worum es geht: „Wer sich keine Kolonien leisten kann, sollte sich keine zulegen!“ und „Aufforderung an alle Ostschüler: Geht in den Westen, denn dort sollen die Lehrer schlauer sein“.

Volksfeststimmung herrschte auf dem Alexanderplatz; überall Luftballons und rote Fahnen. Nach GEW-Angaben waren die 50.000 PädagogInnen aus Ost- und Westdeutschland gekommen, um ihre Wut über die Bonner Politik zum Ausdruck zu bringen. „Schleppt uns den Innenminister Kanther her, der soll Rede und Antwort stehen!“ brüllte ein Berliner unter tosendem Beifall. Die Sambagruppe „Terra Brasilis“ heizte den DemonstrantInnen auf dem Alexanderplatz kräftig ein, und selbst die Stimme des türkischen Gemüsehändlers ging im Getöse unter. Auch die Unterstufenlehrerin Sabine Below aus Erkner wetterte auf die arroganten Bonner: „Die behandeln uns als minderwertig, dabei sind wir genausogut wie die Westdeutschen! Auch wenn wir nicht unbedingt zwei Staatsexamen haben – was zählt, ist die praktische Erfahrung!“

Der Sportlehrer Rainer Paeschke war mit 260 Kollegen aus Sangerhausen angereist, „um gehörig Druck zu machen. Denn die Mauer, die sie weggerissen haben, wurde jetzt noch höher wiederaufgebaut.“ Als die ersten des Demonstrationszuges auf dem Bebelplatz einbogen, hatten die letzten den Alexanderplatz noch nicht einmal verlassen. „Macht Krach“, brüllte Rainer Paeschke, „damit die das selbst in Bonn noch zu hören kriegen!“

Hintergrund der Aktion der Lehrer ist ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Besoldung der Lehrer in den neuen Ländern, mit dem sich heute in Bonn der Innenausschuß des Bundestages befaßt. Die Gesetzesinitiative der Länder Sachsen und Nordrhein-Westfalen sieht vor, Grund- und Berufsschullehrer im Osten in die Besoldungsklassen A 10 und A 11 einzustufen, während die entsprechenden Westlehrkräfte nach A 11 und A 12 bezahlt werden. Die Länder argumentieren, daß die Ostlehrer in der DDR etwas schlechter ausgebildet wurden und ohnehin eine allgemeine Finanznot herrsche. Unmittelbar vor der Demonstration sagte der Vorsitzende der GEW, Dieter Wunder, daß mit der Änderung des Besoldungsgesetzes den 50.000 ostdeutschen Lehrkräften eine dauerhaft niedrigere Bezahlung als im Westen, zwischen 300 und 400 Mark brutto, drohe. Es wäre beschämend, „wenn die GEW den Rechtsanspruch der ostdeutschen Länder auf dem Gerichtswege durchsetzen müßte“, sagte Wunder unter Hinweis auf den Einigungsvertrag.

Auch Schulsenator Jürgen Klemann (CDU) hat sich für eine bessere Besoldung der Ostlehrer eingesetzt. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Einstufung entspreche nicht den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz.

Senat will klagen

Einen Tag nach dem Ausschluß Berlins aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hat der Senat gestern begonnen, Klagen vorzubereiten. Der Senat hält den Ausschluß aus der TdL und aus der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber (VKA) für rechtlich unbegründet. Den zusätzlichen Ausschluß aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hält der Senat für politisch und rechtlich nicht möglich. Über die VBL sei eine Alterszusatzversorgung nur für Westberliner Mitarbeiter organisiert. Die Angleichung der Löhne betreffe aber den Ostteil.

Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) hat zugesichert, diese Situation nicht auszunutzen. „Wir werden in Berlin nichts verlangen, was von den Forderungen der ÖTV auf Bundesebene abweicht“, sagte der Berliner ÖTV-Chef Kurt Lange gestern. Nach dem Tarifrecht gälten die alten Tarifverträge auch nach dem Verbandsausschluß zunächst weiter. Wenn auf Bundesebene neue Verträge zwischen Arbeitgebern und ÖTV geschlossen würden, wären diese in Berlin nicht wirksam. Darum wolle die Berliner ÖTV mit der Innenverwaltung regeln, daß alle Bundestarifverträge in Berlin angewendet werden. Anja Nitzsche