Havanna: Zuflucht in der Botschaft

■ Flüchtlinge in deutscher Vertretung bitten um politisches Asyl / Kubanische Regierung spricht von „Provokation“ und verweigert Ausreiseerlaubnis

Bonn/Havanna (AFP) – Die deutsche Botschaft in Havanna will den auf ihr Gelände eingedrungenen ausreisewilligen Kubanern vorübergehend Zuflucht gewähren. Das teilte gestern eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Bonn mit. Nach ihren Angaben handelt es sich bei den Botschaftsflüchtlingen um 21 „eher jüngere Leute“, drei Frauen und 18 Männer, die „sehr entschlossen“ seien. Bisher hätten sie noch keinen Asylantrag gestellt, sie wollten jedoch unbedingt aus Kuba ausreisen.

Die kubanische Regierung verurteilte den Vorfall als „offensichtliche Provokation“. Seit dem 28. Mai halten sich bereits 118 ausreisewillige Kubaner in der Residenz des belgischen Botschafters in Havanna auf.

Die Kubaner hatten am Montag den Zaun um das Botschaftsgebäude mit einem Lastwagen durchbrochen, um auf das Gelände zu gelangen. Anschließend baten sie um politisches Asyl. Die deutsche Mission befindet sich im Stadtviertel Miramar im Westen Havannas, nur wenige hundert Meter von der Residenz des belgischen Botschafters entfernt. Die kubanischen Polizeikräfte in dem Gebiet zwischen Residenz und Botschaft wurden verstärkt, der Sektor wurde für den Verkehr gesperrt. Nach Angaben der Sprecherin des Auswärtigen Amtes ist die Bundesregierung bemüht, gemeinsam mit den EU-Partnern, insbesondere mit Belgien, eine Lösung zu finden. Zunächst müßten die Botschaftsflüchtlinge versorgt werden. Die deutsche Botschaft gab auf telefonische Anfrage keine Stellungnahme ab.

Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa latina zitierte den Sprecher des kubanischen Außenministeriums, Miguel Alfonso, mit den Worten, der Grund für die erneute Botschaftsbesetzung sei die „wachsende Frustration“ antipatriotischer, im Ausland lebender Kubaner angesichts der diplomatischen Erfolge der Regierung in Havanna. Die Flucht in die deutsche Botschaft sei sorgfältig vorbereitet gewesen. Dies zeige sich daran, daß sie sich am Tag des Staatsbesuchs von Mexikos Präsident Carlos Salinas de Gortari in Havanna ereignet habe, kurz vor der Eröffnung des iberoamerikanischen Gipfeltreffens im kolumbianischen Badeort Cartagena, an dem auch der kubanische Staatspräsident Fidel Castro teilnimmt.

Alfonso bekräftigte die offizielle kubanische Position, wonach Botschaftsbesetzern keine Ausreise gewährt wird. Zugleich kritisierte er, daß die US-Behörden entgegen anderslautenden Vereinbarungen mit Kuba nicht genügend Visa für ausreisewillige Kubaner ausstellten.

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