Paragraph 218-Info-Telefon wird gekappt

■ Düstere Bilanz ein Jahr nach dem Karlsruher Urteil: Betroffene Frauen weiter verunsichert, Beratungen drastisch erhöht Von Andrea Hösch

Erst werden schwangere Frauen zur Pflichtberatung verdonnert. Wenn sie dann zum Telefonhörer greifen und die 218-218 wählen, wird es – voraussichtlich ab Mitte September – heißen: Kein Anschluß unter dieser Nummer. Weil sich bisher keine Behörde bereitgefunden hat, das auf ein Jahr befristete Hamburger Beratungsangebot weiter zu finanzieren, droht dem § 218-Info-Telefon das Aus.

Vor genau einem Jahr löste das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei betroffenen Frauen, ÄrztInnen und Beratungsstellen Empörung aus: Nach dem Karlsruher Richterspruch handeln Frauen, die nach einer Beratung abtreiben, rechtswidrig, machen sich aber nicht strafbar. Zahlen müssen sie den Eingriff aus eigener Tasche.

Die Übergangsregelung zum Schwangerschaftsabbruch ließ viele Fragen offen. Um der allgemeinen Verunsicherung zu begegnen, wurde in Hamburg das § 218-Beratungstelefon eingerichtet. Die dafür notwendigen 90.000 Mark für eine Personalstelle finanzierte das Frauensenatsamt. Wie unerwartet groß der Beratungsbedarf ist, zeigen die seit vergangenem Herbst eingegangenen Anfragen: 1200 Frauen haben um Rat gefragt.

Die Konsequenzen des Bundesverfassungsgerichtsurteils sind auch ein Jahr danach düster: Die Zahl der Pflichtberatungen hat sich drastisch erhöht. Zum Beispiel hat das Hamburger Familienplanungszentrum im Jahr 1992 rund 790 Frauen beraten, allein im zweiten Halbjahr 93 waren es schon insgesamt 660 Beratungen. Die Beratungsstellen sind überlastet, „für die Mitarbeiterinnen ist die Grenze der Belastbarkeit erreicht“, schreibt Pro Familia in einer Pressemitteilung.

Denn immer noch ist die Kostenregelung des Abbruchs unklar, bedürftige Frauen müssen den meist unwürdigen Gang zum Sozialamt antreten, fühlen sich zunehmend einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt und sind sehr verunsichert.

„Viele Frauen rufen zum Teil völlig verzweifelt an, weil sie nicht wissen, was sie dürfen oder müssen. Ich kann die Frauen am Telefon dann erst mal beruhigen“, erzählt Birgit Gosau, die – noch – am anderen Ende der Leitung sitzt. Sie beobachtet, daß die Übergangsregelung vor allem zu Lasten der Betroffenen gehe: „Frauen entwickeln wieder verstärkt Schuldgefühle und glauben, sich rechtfertigen zu müssen.“ Gerade das Telefon biete ihnen die Möglichkeit, Ängste zu überwinden und anonym um Rat zu fragen.

„Das § 218-Telefon darf nicht gekappt werden“, meint auch die frauenpolitische Sprecherin der GAL, Gabriele Dasse. In einer Bürgerschaftsinitiative will sie sich für den Erhalt dieser wichtigen Anlaufstelle für Frauen einsetzen. Die Beratungsstellen fordern zudem, daß die Kostenregelung für bedürftige Frauen wieder über die Krankenkassen erfolgen müsse. Zumindest aber sollte eine zentrale Stelle für die Kostenabwicklung geschaffen werden, um Frauen den diskriminierenden Gang zum Sozialamt zu ersparen.