■ Daumenkino
: Angie

Angie ist ein hard working girl aus dem Arbeiterviertel Bensonhurst, Brooklyn. Sie schuftet tagsüber in einem City-Büro, Tippen für die Unabhängigkeit. Privat steht es nicht zum besten. Angies („Thelma“ Geena Davis) Mutter verließ die Familie, als Angie erst drei Jahre alt war, und jetzt hat sie Zoff mit der Stiefmutter. Aber Angie hat ihre beste moppelige Freundin Tina (vergnüglich: Aida Turturro), mit der sie das Aerobicstudio besucht und über Männer herzieht.

Angie Scacciapensieri steht einfach alles: Nadelstreifenkostüm, Ringelshirt, „floral bedruckter“ (jaja) Rock und sogar die unerwartete Schwangerschaft. Als Angie von ekligen Übelkeitsanfällen heimgesucht wird, hofft ihr Freund Vinnie, auch Bensonhurst, Brooklyn, auf eine Hochzeit. Leider ist Vinnie nur ein netter, sprich seeehr normaler Klempner, der einfach ein Haus kaufen und vermutlich ein paar Apfelbäumchen pflanzen will, während der Schnösel Noel (Stephen Rea aus „The Crying Game“), natürlich Rechtsanwalt in Manhattan, geistreichelnd zu plappern versteht, das Ballett besucht und überhaupt so ganz anders ist als die Leute im biederen Bensonhurst. Die schwangere Angie schiebt Vinnie ab und treibt es mit Noel, und das ist eigentlich mehr, als die italoamerikanische Community von Bensonhurst, Brooklyn, ertragen kann. Angie bekommt Ärger mit allen und jedem, weil sie sich partout nicht arrangieren will. Hat Angie ein Glück, daß sie nicht nur eigensinnig und schwierig, sondern auch noch nett anzuschauen, fleißig und so schrecklich beliebt ist.

Aber so geht's eben gar häufig in Hollywood zu. Reichlich viele Ingredienzen müssen auch bei Regisseurin Martha Coolidge irgendwie in einem Topf verkocht werden. Man nehme nur die Geburtsszene. Selten etwas Komischeres gesehen, das dann gleichermaßen pathetisch wie versöhnlich gekippt wird. „Weißt du, wie Frauen bei der Geburt fluchen?“, erinnerte sich Coolidge. Angie singt vor Schmerzen den Song „One“ aus „A Chorus Line“, und bei jeder Bewegung, die sie macht, entfährt ihr ein hübsches Schimpfwort. Es sind ziemlich viele Bewegungen, und Angie hat Phantasie. Doch Angies Sohn kommt nicht nur mit einer Behinderung zur Welt, er will auch nicht an Angies Brust nuckeln, wird zudem von der Stiefmutter „Sean“ getauft und bekommt ausgerechnet dann eine Lungenentzündung, als Angie, die ob dieser Prüfungen durchgedreht und abgehauen ist, gerade ihre richtige Mutter wiederfindet. Starker Tobak. Nun, la Mama ist gerade noch maßvoll schizophren und Seans Behinderung operabel. Das Schicksal langt zwar hart zu, aber nicht so doll, daß unter tränengetränkten Taschentüchern nicht doch ein bißchen lädierte Hoffnung zu schnuppern wäre. Anke Westphal

„Angie“, USA 1993. Regie: Martha Coolidge