Kohl gibt Berlusconi die höheren Weihen

Erster Auslandsbesuch des neuen italienischen Ministerpräsidenten gilt Deutschland/ Bundestagspräsidium lehnte gestern Antrag der Grünen auf Aktuelle Stunde ab  ■ Aus Bonn Hans Monath

Kritischen Journalisten muß sich der neue italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi nicht stellen, wenn er heute von Helmut Kohl empfangen wird. Gerade ein oder zwei Fragen werden ihm beim Fototermin im Bundeskanzleramt zugeworfen, dann schließen sich die Türen, eine Pressekonferenz wird nicht abgehalten. Laut Angaben des Bundespresseamtes ist das „ein übliches Verfahren“ bei Arbeitsbesuchen eines ausländischen Staatschefs.

Ein ganz gewöhnlicher Arbeitsbesuch aber ist nicht zu vermelden. Der Bundeskanzler empfängt den Chef einer Regierung, die zum ersten Mal seit Kriegsende in Westeuropa Neofaschisten hoffähig macht. Sein erster Staatsbesuch führt Silvio Berlusconi ausgerechnet nach Bonn. Laut Auskunft der italienischen Botschaft hat der Bundeskanzler den Koalitionspartner der neofaschistischen „Nationalen Allianz“ eingeladen, weitere italienische Minister sollen bald folgen.

Die Partei Bündnis 90/Grüne hatte eine Aktuelle Stunde zum Besuch beantragt. Das Bundestagspräsidium lehnte das gestern ab und machte sich dabei die Argumente des Kabinetts zu eigen. Dieses sehe die Regierungsbildung in Italien als „Folge des souveränen Willens der italienischen Wähler“ und sei der Meinung, das deutsche Kabinett habe sie „weder zu kommentieren noch zu kritisieren“.

Für den Abgeordneten Gerd Poppe vom Bündnis 90/Grüne fügen sich diese Argumente nahtlos zum Verhalten der CDU-geführten Bundesregierung und der Union gegenüber dem italienischen Kabinett: „Es gibt da eine ausgesprochene Zurückhaltung, man wünscht möglichst keine öffentliche Behandlung dieser Frage.“

Im Hintergrund vermutet Poppe den Wunsch des CDU-Vorsitzenden, die Berlusconi-Partei „Forza Italia“ in die Fraktion der Europäischen Volksparteien (EVP) im Straßburger Europaparlament aufzunehmen. Die Christdemokraten und Konservativen könnten gemeinsam mit den italienischen Wahlsiegern der sozialistischen Mehrheit im Europäischen Parlament besser Paroli bieten.

Auch die stellvertretende SPD- Vorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul warnte gestern in einer Presseerklärung die CDU davor, mit Berlusconis Partei eine Fraktionsgemeinschaft zu bilden. Damit würden sich die Christdemokraten „indirekt zum Bündnispartner der Neofaschisten“ machen. Die sozialdemokratischen Europaparlamentarier Klaus Hänsch und Gerhard Schmid kündigten an, im Falle einer Fraktionsbildung der EVP mit Italiens „Forza“ würden die Sozialdemokraten die Zusammenarbeit mit den Christdemokraten aufkündigen.

Noch weitergehende Vorwürfe erhoben gestern die Europaabgeordnete Claudia Roth und Vorstandssprecher Ludger Volmer vom Bündnis 90/Grüne: Mit dem Empfang Berlusconis mache sich Helmut Kohl zum „Helfershelfer der europäischen Rechtsextremisten“.

Der Streit um Silvio Berlusconi wird trotz der Ablehnung der Aktuellen Stunde im Bundestag zur Sprache kommen. Wenn der Gast mit dem schrecklichen Siegerlächeln längst wieder abgeflogen ist, wollen die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen den Besuch in der Fragestunde zum Thema machen.