Pack den Tiger aus dem Tank

■ Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung verlangt Verdoppelung der Diesel-Steuer

Berlin (AP/taz) – Rudolf Scharping irrt schon wieder. Höhere Bezinpreise werden der Wirtschaft nicht schaden, wie der SPD-Kanzlerkandidat meint, sie sind eine „Voraussetzung für den fairen Wettbewerb“ zwischen Bahn, Auto und Schiff. Diese Auffassung vertreten keine rot-grünen Träumer, sondern eine Bundesbehörde und ein renommiertes Wirtschaftsforschungsinstitut.

Der Vizepräsident des Bundesumweltamtes, Andreas Troge, stellte gestern in Berlin eine Langzeitstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vor. Die Untersuchung kommt zu dem Schluß, daß der im europäischen Binnenmarkt zunehmende Güterverkehr auf der Straße zu einer „drastischen Belastung der Umwelt“ führen werde. Bis zum Jahr 2010 werde der jährliche Ausstoß an Kolendioxid um 52 Prozent auf 35 Millionen Tonnen zunehmen. Kohlendioxid gilt als wichtigste Ursache der globalen Erwärmung. Die Stickoxide, unter anderem verantwortlich für das Waldsterben und den Sommersmog, würden zwar beim einzelnen Lkw durch strengere EU-Grenzwerte reduziert, insgesamt ergebe sich aber durch den Verkehrszuwachs eine unverändert hohe Emission von 350.000 Tonnen pro Jahr, sagte Troge. Damit werde der Lastwagenverkehr voraussichtlich die größte Stickoxidquelle in Deutschland sein. Weitere Verordnungen und technische Verbesserungen könnten dieses Problem nicht mehr lösen. Notwendig sei vielmehr, daß die Transportkosten erhöht werden, sagte Troge gestern vor der Presse. Denn erst dann hätten Bahn und Schiff eine wirtschaftliche Chance, einen Teil des wachsenden Transportvolumens umweltfreundlicher zu bewältigen. Denn jedem Verkehrsmittel müßten alle von ihm verursachten Umweltkosten in Rechnung gestellt werden. Die heute üblichen Preise für Lastwagentransporte von etwa 12 Pfennig pro geladene Tonne und gefahrenen Kilometer seien deshalb deutlich zu niedrig.

Die Wirtschaftsforscher des DIW schlagen vor, daß die Steuer für Dieselbenzin verdoppelt und zusätzlich eine Straßenbenutzungsgebühr von 40 Pfennig pro Kilometer erhoben werden solle. Zusätzliche Staatseinnahmen stehen damit nach Meinung des DIW nicht zur Verfügung. Das Geld decke lediglich die heute schon anfallenden Umweltkosten. Von dieser Warnung unberührt, beschlossen gestern Spitzenpolitiker der Regierungskoalition, daß die geplanten Autobahngebühren für Lkws ohne Zweckbindung dem Bundeshaushalt zufließen sollen. Lediglich in der Begründung für den Gesetzentwurf, den der Bundestag heute abschließend berät, werde „deutlich gemacht, daß dieses Geld für verkehrspolitische Zwecke ausgegeben werden solle“, sagte gestern Regierungssprecher Vogel. Ab 1995 sollen für Lastwagen über zwölf Tonnen Gesamtgewicht bis zu 2.500 Mark jährlich an Autobahngebühren entrichtet werden. nh