Kaum Politik für Homosexuelle

■ Sozialsenatorin: Die Szene ist stark genug, um ihre Probleme zu artikulieren

Lesben und Schwule haben in Bremen eine ausgesprochen große eigene Szene, in Politik und Verwaltung kommen sie allerdings fast gar nicht vor. „Das ist auch nicht nötig“, meint dazu Wolfgang Beyer, Sprecher von Gesundheits- und Sozialsenatorin Irmgard Gaertner, „denn die Bewegung ist in Bremen stark genug, um ihre Probleme selbst zu artikulieren.“ Ähnlich sieht es sogar Hans Hengelein, Schwulenbeauftragter des Landes Niedersachsen: „Das Coming-Out hat in Bremen doch keine Konsequenzen – in Rotenburg an der Wümme ist das schon anders.“

Während es in Niedersachsen, Berlin, Brandenburg, dem Saarland und der Stadt Leipzig eigene Verwaltungs-Referate für homosexuelle Angelegenheiten gibt, hat es dafür in Bremen nie einen Bedarf gegeben. Brigitte Lück, auf deren Schreibtisch in der Frauen-Gleichstellungsstelle alle Lesben betreffenden Anfragen landen würden: „In den letzten zwei Jahren hat sich keine einzige Lesbe mit einem Problem bei mir gemeldet.“ Das sei angesichts der Selbsthilfeszene auch kein Wunder.

Auch in den Bremer Parteien findet homosexuelle Politik nicht statt. Während in München eine Rosa Liste gerade politische Erfolge feierte und in Frankfurt ein Schwulen-Aktivist auf der grünen Liste in den Stadtrat gewählt wurde, fehlt es in Bremen an solchem Auftreten Homosexueller in der Politik. Lediglich bei den Grünen gab es vor einigen Jahren einmal eine „Schwulen-AG“, die allerdings an persönlichen Querelen scheiterte.

Andererseits stößt die Förderung schwul-lesbischer Projekte in den Parteien auch nicht auf besondere Vorbehalte. Die langjährige Sozialpolitikerin der CDU, Roswitha Erlenwein, die sich in der Vergangenheit immer wieder für das „Rat und Tat Zentrum“ stark gemacht hatte: „Die Zeit der dummen Sprüche ist auch in der CDU schon seit vielen Jahren vorbei.“ Lediglich aus der FDP ist zuweilen von „überflüssigen Lesben-Projekten“, so der Bürgerschaftsabgeordnete Peter Braun, zu hören.

In Niedersachsen hat die Landesregierung im März ein Antidiskriminierungs-Programm beschlossen. Dazu gehören zahlreiche Absichtserklärungen von der Schaffung gesetzlich abgesicherter gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften bis zur Förderung homosexueller Selbsthilfe aus Haushaltsmitteln. Ein ähnlicher Beschluß fehlt in Bremen. Dennoch, so der niedersächsische Schwulenbeauftragte, gebe es im kleinsten Bundesland auch bundesweit vorbildliche Regelungen. So hätte Bremen als erstes Bundesland ein Diskriminierungsverbot von Homosexuellen in das Landes-Beamtengesetz aufgenommen.

Auch im Wissenschaftsbereich ist Bremen eine Art Mekka der Homosexuellenszene. Schließlich wird ein Großteil der deutschen Schwulenforschung über den Bremer Soziologie-Professor Rüdiger Lautmann abgewickelt, und mit dem „belladonna“ hat Bremen eines der größten deutschen Lesbenarchive. Deshalb sieht die Sozialsenatorin auch in diesem Bereich keinen Anlaß für eigene Aktivitäten. Sprecher Beyer: „Wir wollen die schwule Kultur weder begleiten noch erforschen. Dafür sind wir nicht da.“ Ase