Eine absurde Kombination?

■ Schwule können, allen Vorurteilen zum Trotz, sehr wohl mit dem Fußball umgehen: Seit drei Jahren trainiert Reimer Nagel erfolgreich die schwule Fußballmannschaft des Hamburger Startschuß e.V.

Im Juni 1991 begannen schwule Männer, unter dem Dach des Hamburger Sportvereins Startschuß e.V. Fußball zu spielen. Die Kicker gelten in der hanseatischen Homo- Sportszene als Exoten: Mehr Zuspruch finden Disziplinen wie Volleyball und Aerobic, Fußball gilt als erzheterosexuelle Domäne. Reimer Nagel, früher selbst Spieler und Trainer beim Hamburger Traditionsklub Union 03, coacht die Equipe seit ihrer Gründung. Der Journalist (42) reist mit seiner 15köpfigen Truppe zu den Gay Games nach New York. Aus der BRD reisen noch zwei weitere Mannschaften aus Köln und Berlin an. Die größten Chancen dürfen sich aber Nagels Mannen ausrechnen.

taz: Sind Schwule mehr fürs Eislaufen geeignet?

Reimer Nagel: Das ist ein Vorurteil, dem wir immer wieder begegnen. Schwule können mit Fußbällen umgehen. Das festzustellen ist aber aber nun wirklich nicht spektakulär.

Weshalb dann eine schwule Kickertruppe?

Weil uns das Gebaren in den normalen Fußballvereinen nicht paßt. Es geht dort sehr männlich, sehr heterosexuell und nicht gerade behaglich zu für Leute, die mit diesen Attitüden nichts anfangen können.

Haben sich die Zeiten nicht geändert?

Ja, sicher, aber das gilt nur eingeschränkt für das traditionelle Fußballmilieu. Da gilt es immer noch als selbstverständlich, daß man als Mann eine Frau oder eine Freundin hat.

Warum scheint die Kickerszene so resistent gegenüber gesellschaftlichen Liberalisierungen?

Schlicht gesagt, sind Fußballer und ihre Fans oft einfacher strukturiert, da funktioniert die Liberalität eben nicht zuallererst über das Bewußtsein.

Worüber denn sonst?

Viele finden Schwulsein an sich furchtbar, räumen aber ein, wenn irgendeiner ihrer Bekannten homosexuell ist, daß der eigentlich ganz nett sei – Toleranz über nachbarschaftliche Praxis sozusagen. Trotzdem: Nicht umsonst zieht Fußball hooliganistische Tendenzen an.

Woher kommt denn der Haß der Hools auf Schwule?

Angst vor der vermuteten Weichheit vielleicht. Schwule sind für sie Tunten, keine richtigen Männer, die eben nichts mit Flanken, Pässen, Toren und Elfmetern zu tun haben können. Schwule und Fußball – das finden wohl die meisten schon als Wortkombination absurd.

Ihr nehmt an keinem Ligabetrieb teil. Spielt da die Furcht eine Rolle, blöd angemacht oder haushoch besiegt zu werden?

Eher nicht. Wir wollen uns bloß dem Streß eines geregelten Spielbetriebs nicht aussetzen. Wir kicken gerne, trainieren regelmäßig, wollen uns aber zu nichts zwingen lassen. Beweisen müssen wir niemandem etwas. Und was die Spielpraxis anbetrifft, da haben wir bewiesen, was wir können.

Was könnt ihr denn?

Zuerst haben die meisten Mannschaften aus dem Alternativ- und Freizeitbereich gedacht: „Ey, die putzen wir doch glatt, die Schwulen.“ Meistens haben aber wir gewonnen.

Welche Reaktionen habt ihr da registrieren dürfen?

Manchmal lustige, gelegentlich tragische: Ein Spieler einer streng heterosexuellen Mannschaft hat später nach einer Niederlage gegen uns heulend im Gras gehockt. Beim Hamburger taz-Fußballturnier haben wir nach Expertenmeinung den besten Fußball geboten. Am Ende wurden wir Zweite.

Was ist euer Ziel für das Turnier in New York?

Kann man schlecht sagen. Wir sind bei den sportlichen Prognosen genauso ratlos wie Berti Vogts mit denen der DFB-Elf. Natürlich fahren wir da nicht hin, um nur dabeizusein. Möglich, daß wir beste europäische Mannschaft werden. Interview: Jan Feddersen