Rosa Panther gegen Sonnenfinsternis

■ 572 deutsche Sport-TouristInnen machen Jagd auf einen kleinen Zipfel Ewigkeit

Berlin (taz) – Strikte Anweisung aus New York: Mit Stöckelschuhen dürfen auch die deutschen AthletInnen nicht den kostbaren New Yorker Stadionrasen perforieren. Marc Tent aus Frankfurt wundert sich zwar über solch raffinierte Details in den Vorschriften, welche die Administration der „Gay Games“ erlassen hat, doch da sich Volleyball so schlecht mit High-heels unter den Füßen spielen läßt, trifft den jungen Sportler diese Regelung nicht allzu hart.

Seine Mannschaft aus Frankfurt zählt nach Berlin und Köln zu der zahlenmäßig größten Gruppe der bundesdeutschen Homo-Volleyballer. „Doch gegen die Topteams aus den USA hätten wir keine Chance“, stellt Tent (27) realistisch fest. Deshalb gilt für ihn das wahre olympische Motto: „Dabeisein ist alles.“ Die Frankfurter haben sich deshalb ehrlicherweise selbst erniedrigt und auf die unterste der vier Kategorien eingestuft. Köln und Berlin treten dagegen in der zweithöchsten Leistungsklasse an. „Unser härtester Gegner sind die ,Atlanta Eclipse‘“, sagt Peter Möws aus Köln. Diese Mannschaft mit dem sprechenden Namen „Sonnenfinsternis“ besteht ganz aus schwarzen Spielern. Obwohl alle Teams erst mal selbst einschätzen, wie hoch sie ihre Leistung bewerten, wird erst die Vorrunde definitiv klären, wer gegen wen wo antreten wird. Volleyball ist die Sportart der meisten deutschen Athleten. Neben den schon genannten Städten treten hier auch „Startschuß“ Hamburg, die „Rosa Panther“ Nürnberg, „AufRuhr“ Bochum, Münster, Hannover und Bonn an. Zudem beliebt sind Basketball und Fußball (jeweils Hamburg, Berlin, Köln). Höchstleistungen sind allerdings schon deshalb nicht zu erwarten, weil ein Teil der Mannschaften erst 24 Stunden vor der Eröffnungszeremonie anreist.

Auch Schwimmer Ullrich Reinzel (34) wird eine der späten Maschinen nach New York nehmen müssen. Sein Chef rückt nicht mehr Zeit heraus. Außerdem sei er „stinksauer“, poltert der Nürnberger Sportler los. Warum? Die Amis verlangen von allen einen offiziellen Wettkampfausweis. Als Zulassungsberechtigung für die „Gay Games“ braucht Reinzel demnach pikanterweise eine Mitgliedschaft bei einem Hetero- Sportverein. Der Formalismus der Amis ist wohlkalkuliert, meckert Reinzel: „Die wollen, daß Weltrekorde von den offiziellen Verbänden anerkannt werden.“ Das olympische Motto zählt also auch hier ohne Leistung nur die Hälfte.

Aber wenn es losgeht, werden alle brav hinter dem Schild ihrer Stadt marschieren. Denn in New York treten nicht Nationen, sondern Metropolen, Provinzstädte und Marktflecken gegeneinander an. Eine protokollarische Klippe wurde diesmal elegant von vornherein umschifft. Vor vier Jahren in Vancouver hätte sie fast zum Ausscheiden einiger Deutscher geführt: Nun muß keineR mehr hinter einer schwarz-rot-goldenen Flagge ins Stadion marschieren.

Anders auch als bei den Olympischen Spielen werden die Männer und Frauen bei den „Gay Games“ nicht einheitlich eingekleidet. Kein Wunder, beträgt der Etat doch nur lumpige sechs Millionen Dollar, also nur ein winziger Bruchteil des Budgets der Olympischen Spiele in Barcelona.

Trotz Unity, Einigkeit also, werden Frauen in der Minderheit sein. Lesben machen nur ein Drittel der TeilnehmerInnen aus, die diesmal mit von der Partie sind. Dafür haben die Gastgeberinnen eine außergewöhnliche Frau aufzubieten: Juanita Harvey ist eine African- American lesbian grandmother wrestler. Wer könnte mehr Attribute, die gemeinhin mit der Opferrolle verbunden werden, auf sich vereinigen als eine schwarze Lesbe aus den USA, die zudem Großmutter ist und sich im Ringkampf durchsetzen muß? Höchstens ein blinder, schwuler Vollwaise, der bowlt.

Doch so eine Persönlichkeit kann das deutsche Team nicht ins Feld schicken. Alexander Heinz