Zivilcourage hat ihn fasziniert

■ Gesichter der Großstadt: Peter Steinbach, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, will die Vielfalt der Ausstellung bewahren - gegen subtile "Geschichtspolitik"

Peter Steinbach redet gern. Mit Studenten, die in seine Sprechstunde kommen, oder mit Kollegen, die er auf dem Weg in die Vorlesung trifft. Doch zur Zeit spricht der 46jährige Historiker vor allem mit Journalisten – täglich rufen sie in seinem Büro im Otto-Suhr-Institut an. Nicht weil sie den Professor Steinbach interviewen wollen, sondern weil sie den wissenschaftlichen Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand fragen wollen, wie ernst er seine Rücktrittsdrohung meint. „Wenn jemand den WDR zum Vatikansender macht, würden Sie sich dann nicht wehren?“ entgegnet er einem Rundfunkreporter am Telefon.

Steinbach hat die Dauerausstellung in der Gedenkstätte im Auftrag von Richard von Weizsäcker zwischen 1983 und 1989 konzipiert. „Ich bin kein 68er, aber die Zivilcourage der Widerstandskämpfer hat mich immer fasziniert.“ Als er zwölf Jahre alt war, stand Adolf Eichmann in Jerusalem vor Gericht. Schon damals habe er sich für die Geschichte des Nationalsozialismus interessiert. Mit den Büchern, die er damals gelesen hatte, arbeitet er noch heute. Steinbach studierte in Marburg Geschichte und Politikwissenschaft und wurde schon mit 32 Jahren Professor an der Universität Passau.

Jetzt droht der Gedenkstättenleiter mit Rücktritt, falls einige Tafeln über den kommunistischen Widerstand sowjetischer Kriegsgefangener aus der Ausstellung entfernt werden. Dieses fordert Franz Ludwig Schenk von Stauffenberg, Sohn des Hitler-Attentäters und ehemaliger CSU-Abgeordneter im Europaparlament. Stauffenberg maßt sich an, das politische Erbe seines Vaters Claus Graf Schenk von Stauffenberg exklusiv zu verwalten. Er will, daß der kommunistische Widerstand des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ (NKFD) sowie des „Bundes Deutscher Offiziere“ (BDO) nicht mehr in der Dauerausstellung dokumentiert wird. Sein Vater, der als Offizier und Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres das Attentat auf Hitler plante und am 20. Juli 1944 selbst ausführte, habe Widerstand geleistet – Kommunisten im Exil dagegen nicht. Seit dieser „Definition“ erhält Professor Steinbach Briefe von Reservisten und vom „Arbeitskreis der Heimkehrer“, in denen die „Eliminierung“ der Tafeln gefordert wird. Das „Lodenmantelgeschwader“ wittert zum 50. Jahrestag des Attentats, an dem auch Helmut Kohl sprechen wird, Morgenluft.

„Das Schlimmste für mich war, daß ich mit Stauffenberg in der entscheidenden Sitzung Ende April kein einziges Wort gewechselt habe“, sagt Steinbach. Wahrscheinlich wäre nicht viel zu reden gewesen, denn Stauffenberg kommt seit Jahren mit denselben Argumenten. Was viele seiner Kollegen als Beleidigung abbügeln würden, wäre Steinbach, der aus der SPD austrat, als die Partei der Asylrechtsänderung zustimmte, eine ernsthafte Auseinandersetzung wert. Natürlich ärgert sich der Schüler des marxistischen Historikers Wolfgang Abendroth, wenn die FAZ schreibt, daß er sich „aufplustere“. Dabei hätte er nichts gegen eine Revision der Ausstellung, „wenn es denn neue wissenschaftliche Erkenntnisse gäbe“. Die Ausstellung im sogenannten Bendler-Block, dem ehemaligen Sitz des Oberkommandos der Wehrmacht, müsse die „Vielfalt des Widerstandes“ dokumentieren – von Militärs wie von deutschen Kommunisten im Ausland.

„Ich möchte keine Gruppe ausgrenzen, so unterschiedlich die Bedingungen waren, unter denen Widerstand geleistet wurde“, sagt Steinbach. Wer als Wissenschaftler den breiten Widerstandsbegriff aus politischer Opportunität aufgebe, der betreibe subtil „Geschichtspolitik“: „Wenn wir den Zusammenhang zwischen Geschichtswissenschaft und Politik nicht entzaubern, dann brauchen wir uns in Israel und Washington nicht mehr sehen zu lassen.“ Rüdiger Soldt