Sanssouci
: Vorschlag

■ Herbie Hancock – Future Shock für Acid Jazz

Was von der neuen Herbie-Hancock-Tour zu erwarten sei, frag' ich den freundlichen Herrn bei Bote und Bock: „Acid Jazz“, sagt er und breitet verschmitzt die ungeheure Anzahl unterschiedlichster Herbie-Hancock-Exponate aus. Von der Blue- Note-Zeit mit Dexter Gordon und Freddie Hubbart zur Miles- Davis-Ära. Damals hat er nebenbei, sozusagen um sich vom 24-Stunden-Wahnsinnsstreß mit dem eher intensiv lebenden Miles zu erholen, einzelne Soundtracks produziert. Unter anderem den Anfangssoundtrack zur Bill-Cosby-Show: „Hey, hey, hey it's fat Albert.“ Weg von der Jazzer-Zeit mit ernstem Gesicht, weißem Hemd und dunklem Jackett in düsteren Clubs zum Disco- Bebop-Elektronik-Jazz. Zwischendurch wird Hancock immer wieder zum Akustikpiano-Spieler. Auch als Keyboardspieler, Synthieexplorer – von Miles Davis bis heute, Herbie Hancock ist Old School. Wenngleich so irre Breaks wie etwa „Future Shock“ von 1983 eher wie eine Intervention der Klingonen erscheinen. An Bord: Synclavier, alle möglichen Waaber-Fieps-Korgs, Sampler, Synthies. Wo der kleine Wunderknabe schon mit elf Jahren, ganz Amadeus, mit den Chicagoer Symphonikern Mozart klimpert, macht der große Junge in der Schule die Hardware (Electronic Engineering) und den ideologischen Überbau (Musik). Hancock, der Rapper mit anderen Mitteln; er produzierte den Soundtrack für „Colors“, den Gang-Film von Dennis Hopper, und er wird gesampelt von der Jazz-House-Ecke bis zu den englischen Stereo-MCs. Auch Blue-Note-Neuzugang US 3 (nur einmal in den Frisör gehen, und ihr HipHop-Liedchen läuft garantiert) ist um ein Cover-Sample von Hancocks „Cantaloupe Island“ gebaut.

Daß die aktuelle Tour „Dis is da Drum“-Tour heißt, ließe eigentlich weniger auf Acid Jazz schließen, als auf eine völlig neue andere Richtung, Percussions-orientiert. Hört sich nicht nach zurück zu Disco und Fusion an, wovon ich, dank meines Alters, weitgehend verschont blieb. Das heißt, ich mußte mir diese langwierigen, langatmigen Fusion-Soli, bei denen wildfremde, ältere Männer mittendrin wie von der Tarantel gestochen aufsprangen und um sich schlugen oder jäh yeah sagten, nicht miterleben. Vielleicht aber ist House, Trance und Ambient nur die Reinkarnation des Fusion-Stils mit anderen Mitteln, und es hat sich eigentlich nichts geändert.

Ich bin jedenfalls gespannt, ob sich das Metropol zu einem schweißtreibenden Weather Report Jungle oder einem Disco- Funky-Mothership-Himmel entwickeln wird. Annette Weber

Metropol, heute abend, 20 Uhr, Metropol