■ Schnittplatz
: Kohls Windmaschine

Wie der Mann das macht, bleibt sein Geheimnis. Eben war er noch auf dem DGB-Kongreß, dann sehen wir ihn vergnügt schwitzend neben Clinton im Fußballstadion in Chicago, und schon steht er staatsmännisch in der Münchner Residenz, wo er sich den Adenauer-Freiheitspreis der rechtslastigen Deutschlandstiftung e.V. überreichen läßt; vor 1.200 ausgewählten Gästen – 150 davon gar auf eilig eingerichteten Stehplätzen.

Kein Wunder, daß Hans Klein bei der sonntäglichen Begrüßung im Herkules(!)saal vom „schier übermenschlichen Einsatz“ des Gepriesenen spricht. Was die Medienpräsenz des Kanzlers angeht, hat er auf jeden Fall recht. Denn natürlich läßt es sich das Bayerische Fernsehen nicht nehmen, die Preisverleihung drei volle Stunden lang live zu übertragen. Samt Laudatio seiner Kaiserlichen Hoheit Otto von Habsburg, Grußwort von Edmund Stoiber und „Grüßen aus den neuen Bundesländern“ von Steffen Heitmann.

Jedem Fühlenden blieb freilich nicht verborgen, daß das Ganze nichts anderes war als eine bombastisch inszenierte Wahlveranstaltung. In Ermangelung des guten alten 17. Juni feierte die Union sich und ihren Kanzler nun eben am 19. Juni. Da ist der Adenauer-Preis gerade recht, paßt ja irgendwie für den Berufsenkel. Daß Kohl sich dabei ganz staatsmännisch geben kann, gehört zur Regie. Den Wahlkampf können seine Huldiger betreiben, der Dicke darf über den Wassern des Parteiengezänks schweben. Das schafft Vertrauen, zumal wenn es mit ein wenig „Air pathéthique“ belüftet wird.

Was Kohl mit dem 1:0 von Chicago im Rücken den feinen Herrschaften im Saal vorträgt, ist besinnliches positive thinking. „Warum sind wir so verzagt?“ fragt er. „Der Wind bläst uns manchmal ins Gesicht, aber er ist ein launiger Geselle. Ich habe es immer genossen, wenn er gedreht hat.“ Daß und wie man dabei nachhelfen kann, haben wir in München wieder einmal in Perfektion erlebt. Keiner versteht es so gut, die Windmaschine zu bedienen, wie Helmut Kohl. Man darf gespannt sein, wie viele Preise im Dunstkreis der CDU/CSU noch gefunden werden, um sie dem Kanzler im Superwahljahr medienwirksam umzuhängen.Thomas Pampuch