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: Tumbe TV-Archäologie

„Das war einmal“, Sonntag, 14.30 Uhr, ARD

Es hätte schön werden können. Dagobert Lindlau kauft Drogen am Rand der Golden Gate Bridge. Peter Handke läßt das Publikum beschimpfen. Miss Twiggy biegt Lippen und Hüften. Willy Brandt knipst das Fernsehen farbig. Und am Ende dieser kleinen Medienchronik des Jahres 1967, die den Auftakt zur zweiten Staffel von „Das war einmal“ abgab, lobt ein „Panorama“-Beitrag den jungen, aufstrebenden Helmut Kohl wegen „seiner ausgesprochenen Begabung für Politik und den Umgang mit der Macht“.

Kein Zweifel, Fernsehen ist nicht nur Teil der Geschiche. Es produziert Historie mit, es formt Perspektiven und rastert Ereignisse hinsichtlich ihrer medialen Verwertbarkeit. Heute geläufige und daher nicht mehr auffallende TV-Formen konnte man im Fernsehen von 1967 im Entwicklungsstadium betrachten. Doch leider sind Präsentation und Kommentierung des Materials unter aller Kanone: „Auch Jimi (Hendrix) läßt sich von der Droge beflügeln. Die Rockmusik ist in ein neues Reich der Klänge vorgestoßen.“

Kreativ wähnte man sich, als man den mäßigen Komiker Jo Jung nach dem Montage-Prinzip von „Tote tragen keine Karos“ mit Helga aus dem gleichnamigen Aufklärungsfilm oder mit Eduard Zimmermann parlieren läßt. Die Idee ist nicht schlecht, doch die Umsetzung prätentiös. Der Versuch, mit verkrampftem Humor zu pädagogisieren, zieht das Magazin auf die Ebene der Bilder aus den 60ern hinunter, die eigentlich karikiert werden sollten.

Ärgerlich wird es, wenn man gerade dabei ist, dieses schräge, seltsame — und stets für sich sprechende — Bildmaterial aufzunehmen, und sich die Präsentatoren der „Zeitgeist-Revue“ derweil mit einfältigen Off-Kommentaren nicht zurückhalten können. Da wettert ein Ideologe im DDR-Fernsehen gegen imperialistische Rockmusik, um anschließend den korrekten deutschen Schlager zu loben. Kommentar: „So muß er klingen, ein Schlager im Sinne des National... äh, des Sozialismus.“ Derartige Entgleisungen zeigen, daß man nichts von dem, was Medien in den 60ern machten, begriffen hat. In weiteren 25 Jahren wird dieses Magazin als Beispiel für die tumben 90er herhalten. Statt sensible Medienarchäologie zu betreiben, wurde der Ausgrabungsort mit touristischer Ignoranz und knatschbunten Inserts zertrampelt. Manfred Riepe