Eurotunnel-Aktien im Keller

■ Die Banken müssen morgen den Garantiepreis bezahlen / Auch unter dem Kanal reißt die Kette der Pannen nicht ab

Dublin (taz) – Die Aktien der Eurotunnel-Gesellschaft, der Betreiberin des Kanaltunnels zwischen England und Frankreich, sind am Wochenende auf ein Rekordtief gefallen. Mit 288 Pence, umgerechnet rund 7 Mark, liegen sie nur noch um 23 Pence über dem Preis, zu dem etliche internationale Banken, darunter der Schweizer Bankverein, sich bereit erklärt hatten, die Papiere notfalls selbst zu kaufen.

Das Abkommen war nötig geworden, weil das Unternehmen wegen der ständigen Verzögerungen bei der Eröffnung des Tunnels ganz schnell 858 Millionen Pfund auftreiben mußte. Ob neue Aktien tatsächlich auf dem Markt angenommen würden, war äußerst ungewiß. Deswegen wurde am 26. März ausgehandelt, daß die Banken die Tunnelaktien selbst zu einem festen Preis kaufen müssen, wenn sie bis zum Stichtag, dem morgigen 22. Juni, nicht zu einem höheren Kurs abgesetzt wurden.

Diese Übernahmegarantie war den meisten Banken jedoch immer noch zu riskant. Sie haben das Geschäft deshalb auf umfangreiche Konsortien verteilt. Der Notfall droht nun für alle einzutreten. Börsenexperten glauben, daß die Anleihegaranten sich das mit ihrer Börsentaktik selbst eingebrockt haben. Denn sie selbst hatten vor einem Monat einen Teil ihrer Tunnelaktien abgestoßen, um den Kurs zu drücken und einen möglichst niedrigen Garantiepreis mit der Eurotunnel-Gesellschaft auszuhandeln. Doch der Kursverfall ging danach weiter: Die Aktien sind seither um 77 Pence gefallen. Viele französische und britische Kleinaktionäre, die insgesamt 55 Prozent der Eurotunnel-Aktien besitzen, wollen deshalb von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen.

Nur wenn sich der Preis rasch stabilisieren sollte, könnten die neuen Aktien noch an der Börse verkauft werden. Doch dafür spricht rein gar nichts. Denn unterdessen setzt sich die Kette der Peinlichkeiten unter dem Kanal fort: In der vergangenen Woche wollte man den Evakuierungsplan in der Praxis testen, 800 Freiwillige aus Frankreich und England nahmen an der Übung teil. Bis zum Servicetunnel zwischen den beiden Eisenbahnröhren verlief die Räumung des Eurostar-Zuges reibungslos, doch der zweite Zug, der die Evakuierten „retten“ sollte, blieb wegen Stromausfalls liegen. Eine Diesellokomotive mußte die Wagen abschleppen.

Das war bereits die dritte Panne seit der Eröffnungsfeier Anfang Mai – und das, obwohl bisher lediglich Lastwagen den Kanaltunnel benutzen können. Vor zwei Wochen mußten zehn Lkw-Fahrer auf halber Strecke zwischen Folkestone und Calais zurück nach England gebracht werden, weil ihr Zug durch einen Fehler des automatischen Warnsystems lahmgelegt worden war. Ralf Sotscheck