Diepgen als Jesu Bannerträger

■ Am Wochenende wollen 100.000 Menschen für Jesus durch die Stadt marschieren / Amtskirchen gehen auf Distanz / Diepgen marschiert mit, Laurien dagegen

Auf dem Kopf die original „Jesus-Marsch-Baseballkappe“, auf der Brust das Teenie-Shirt „Bannerträger“ und in der Hand die „Jesus-Marsch-Kaffeetasse“, werden sich am Wochenende Tausende gläubiger Christen singend, hüpfend und tanzend auf die Straße begeben. Doch wer sich an den Monty-Python-Film „Das Leben des Brian“ erinnert fühlt, liegt voll daneben: Den Jesus-Marsch gibt es wirklich, und er führt vom Breitscheidplatz zum Olympiastadion. Wer sich auch zu Hause noch an dieses unvergeßliche Erlebnis erinnern möchte, kann natürlich auch das Video zum Marsch und die entsprechende CD bestellen. „Meine Kollegen sagen immer zu mir, du warst doch früher ganz vernünftig“, verkündet selig lächelnd die sechzigjährige pensionierte Religionslehrerin Mechthild Humpert, eine der Mitorganisatorinnen dieser Großveranstaltung. Die können sie eben nicht verstehen, weil ihnen noch nicht bewußt geworden ist, was es heißt, ein Kind Gottes zu sein, ist Frau Humpert überzeugt.

Erwartet werden von den Veranstaltern etwa 100.000 Gläubige, die sich unter dem Motto „Sein Königreich ist hier“ offen zu ihrem Glauben bekennen wollen. Einer von ihnen wird Eberhard Diepgen sein, der mitmarschieren und im Olympiastadion eine Begrüßungsrede halten will. Vor zwei Jahren sagten die Jesus-Marschierer, die sich hauptsächlich aus Anhängern der charismatischen Bewegung innerhalb der Kirchen rekrutieren, Gott „danke für die Wiedervereinigung“.

Doch unter den Gläubigen herrscht Zwietracht, denn die Amtskirchen gehen zu der Veranstaltung auf Distanz. „Wir nehmen den Marsch zur Kenntnis“, verlautet es lapidar aus der Pressestelle der Katholiken. Jedem sei es freigestellt, mitzumarschieren. Die Berliner Jugendpfarrämter und der christliche Jugendverband BDKJ raten dagegen von einer Teilnahme ab. Es gebe theologische und politische Bedenken; der BDKJ kritisiert nationalistische Töne in der Mitgliederzeitschrift der Jesus-Marschierer. Dort sei zum Beispiel von einer zweiten Chance für Deutschland die Rede.

Bedenken äußern der Diözesanrat, dessen Vorsitzende, die CDU-Frontfrau Hanna-Renate Laurien, und der ökumenische Rat der Berliner Kirchen. „Einige Gruppen vertreten eine spezielle Dämonenlehre, die ich für bedenklich halte“, sagt die Theologin Andrea Strühbind, die im Auftrag des Rates ein Gutachten über den Jesus-Marsch erstellt hat. Bedenklich sei auch, daß die Veranstalter meinten, der Marsch könne Einfluß auf den geistigen Zustand der Teilnehmer haben. Christiane Badenberg