■ Das Portrait
: Ernesto Samper

Daß Ernesto Samper noch lebt, grenzt an ein Wunder. In seinem ersten Anlauf zur Präsidentschaft Kolumbiens war er vor fünf Jahren bereits parteiintern dem noch amtierenden liberalen Staatschef César Gaviria unterlegen. Damals wurde er Opfer eines Attentats, das dem Drogenkartell von Medellin zugeschrieben wird. Er überlebte mit elf Kugeln im Körper und entwickelte eine Zähigkeit, die ihm bei der Stichwahl am Sonntag den Triumph beschert haben mag.

Aus kleinen Verhältnissen stammend, erhielt Samper durch ein Stipendium die Gelegenheit, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Seine politische Karriere begann vor zwölf Jahren, als er für die Liberalen in den Kongreß gewählt wurde.

In der letzten Phase des jüngsten Wahlkampfes mußte er sich gegen einen Teil der katholischen Bischöfe zur Wehr setzen, die die liberalen Wähler aufgefordert hatten, ungültig abzustimmen, weil die protestantischen Kirchen eine Empfehlung für Samper abgegeben hatten. Doch die katholischen Kolumbianer erinnern sich noch gut an den blutigen Bürgerkrieg in den fünfziger Jahren, als die Kirche mit den Konservativen gegen die traditionell antiklerikalen Liberalen zu Felde zog. Sie lehnten mit ihrem Votum eine Rückkehr zum Glaubenskrieg ab.

Kolumbiens neuer Präsident Foto: Reuter

Trotz seiner Zähigkeit, da sind sich die Kommentatoren einig, wird der dreiundvierzigjährige Samper ein schwacher Präsident werden. Nicht nur weil sein Sieg mit 1,7 Prozent Vorsprung vor dem konservativen Andres Pastrana denkbar knapp ausfiel, sondern auch weil sein Handlungsspielraum von Anfang an eingeengt ist.

Solange mehrere Landesteile von der Guerilla kontrolliert oder zumindest verunsichert werden, beanspruchen die Militärs größere Autonomie in Sicherheitsfragen. Die Dosierung des im Wahlkampf propagierten Rezeptes von Verhandlungen und Repression zur Guerillabekämpfung wird Samper kaum selbst bestimmen können.

Noch weniger dürfte der ehemalige Entwicklungsminister jedoch in der Wirtschaftspolitik zu melden haben. Denn die privaten Spender, die den Wahlkampf finanzierten, haben nicht ganz uneigennützig gehandelt. Zwanzig Großbetriebe, die zusammen rund eine Million Dollar aufbrachten, werden dem neuen Präsidenten bald die Rechnung servieren. Nur im Parlament kann der Staatschef auf eine solide Mehrheit bauen. Ralf Leonhard