Was treiben die Franzosen im Osten Zaires?

■ Waffenlieferungen, seltsame Besucher, Flughafenausbau: In Zaires Grenzstädten bereitet Frankreich möglicherweise schon längst seine Ruanda-Intervention vor

Berlin (taz) – Ist die Entsendung von über 1.000 französischen Soldaten nach Ruanda bereits im Gange, auch ohne einen UNO-Beschluß? Berichte mehrerer belgischer Zeitungen gestern, französische Militärs hätten bereits an der zairisch-ruandischen Grenze Stellung bezogen und seien möglicherweise schon in der südwestruandischen Stadt Cyangugu präsent, wurden gestern in Paris dementiert. Doch verdichten sich die Hinweise auf verstärkte französische Aktivitäten in der Grenzregion von Zaire und Ruanda, vor allem um die zairische Stadt Bukavu, die nur wenige Kilometer über die Grenze vom ruandischen Cyangugu entfernt liegt.

Der Flughafen von Kamembe nahe Bukavu wurde nach einem der taz vorliegenden Bericht aus der Stadt bereits vor über einer Woche – also noch bevor Frankreich offiziell seinen Vorschlag für eine Militärintervention machte – mit Nachtflugeinrichtungen versehen, wie man sie für militärische Aktivitäten braucht. Eine Gruppe Franzosen, die sich als „Entwicklungshelfer“ ausgaben, habe sich in der Stadt eingemietet, angeblich, um im französischen Kulturzentrum in Bukavu zu arbeiten, das allerdings seit 1990 geschlossen ist. Häuser in Bukavu sollen ferner an Mitglieder der vor einer Woche aus dem ruandischen Gitarama geflohenen ruandischen „Interimsregierung“, die für den Großteil der Massaker in Ruanda verantwortlich ist, vermietet worden sein. Mehrmals wurden nach diesem Bericht eines Kirchenmitarbeiters französische Militärs in Bukavu gesehen, die sich auffällig für die Grenze interessiert hätten. Es seien auch, heißt es weiter, ruandische Soldaten in der zairischen Stadt beim Versuch ertappt worden, ruandische Tutsi-Flüchtlinge zu entführen. Die aus Südwest- Ruanda vor den Massakern über die Grenze geflohenen Angehörigen der ruandischen Tutsi-Minderheit würden sich inmitten all dieser Aktitiväten kaum noch sicher fühlen, heißt es.

Aus Bukavu wie auch aus Goma, der anderen größeren zairischen Ortschaft an der Grenze zu Ruanda, werden seit einigen Wochen von verschiedenen Quellen Waffenlieferungen größeren Umfangs an die ruandischen Regierungstruppen gemeldet. Die belgische Zeitung Le Soir hatte gestern ebenfalls von einer französischen Militärpräsenz in Zaire an der Grenze zu Ruanda berichtet und geschrieben, französische Truppen seien möglicherweise schon im ruandischen Cyangugu eingerückt.

Frankreich hält offiziell keine Soldaten in Zaire stationiert. Bekannt war bereits, daß die französische Ruanda-Eingreiftruppe aus der nördlich von Zaire gelegenen Zentralafrikanischen Republik kommen soll. Da eine direkte Landung in Ruanda nicht möglich ist – der einzige Flughafen in Kigali ist umkämpft – würden sie zunächst in Zaire landen, entweder auf dem Flughafen der Stadt Goma oder auf dem Kamembe-Flugplatz bei Bukavu. Von dort aus würden sie in den von der ruandischen Regierung gehaltenen Westen Ruandas vorrücken, um dort nach französischen Angaben Zivilisten vor den mordenden Regierungsmilizen zu schützen.

Solch ein Einsatz von Bukavu aus nach Cyangugu und darüberhinaus würde in die Gebiete führen, in denen die Massaker nach dem Attentat auf den ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana am 6. April am schlimmsten waren. Nach einer unabhängigen Schätzung sind allein in der Präfektur von Cyangugu bis Ende April 80.000 Menschen ermordet worden, zum großen Teil auf Anordnung der örtlichen Behörden. Die Massenmorde wurden vor allem mittels der Erstürmung von Kirchengebäuden durchgeführt, in die sich jeweils Tausende von Zivilisten geflüchtet hatten. Im Sportstadion von Cyangugu wurden – und werden möglicherweise noch immer – mehrere tausend Menschen von den Milizen festgehalten. In vielen Gemeinden ist die „Säuberung“ aber offenbar nach Flüchtlingsberichten „komplett“: Alle, die nicht als treue Anhänger der Milizen gelten, sind entweder tot oder geflohen, so daß es für französische Soldaten nicht mehr viel zu retten gäbe. D.J.