Der unbekannte Faktor PDS

■ In Sachsen-Anhalt will PDS eine SPD-Regierung tolerieren

Magdeburg (taz) – Schocktherapie für die SPD: In Sachsen-Anhalt konnte sie weder bei den Europa- noch bei den Kommunalwahlen die CDU überrunden. Doch tiefer noch gehen den Sozialdemokraten die PDS-Ergebnisse unter die Haut: 20 Prozent im Landesdurchschnitt, in den großen Städten ein regelrechter Siegeszug.

Der PDS ist es in allen neuen Ländern gelungen, sich als feste politische Größe zu etablieren. Und zur Landtagswahl am Sonntag in Sachsen-Anhalt präsentiert sie sich schon mal als Königsmacherin. Betont nebenbei ließ PDS- Landeschef Roland Claus die Bemerkung fallen, seine Partei werde wohl, bei einem entsprechenden Wahlergebnis, eine rot-grüne Koalition tolerieren. Rot-Grün, am Tropf der PDS?

Eher hilflos setzen die Sozialdemokraten, aber auch CDU und Bündnis 90, darauf, daß die PDS ihr Wählerpotential bei den zurückliegenden Wahlen bereits ausgeschöpft hätte. Eine höhere Wahlbeteiligung am kommenden Sonntag könnte ihre Prozentpunkte relativieren. Bei den Kommunalwahlen erreichten zahlreiche PDS-KandidatInnen die Stichwahl um die Spitzenämter, über die ebenfalls am Sonntag entschieden wird. In Halle wurde die PDS stärkste Stadtratsfraktion „Da kann auch der CDU-Oberbürgermeister Rauen nicht dran vorbei“, ist sich dessen PDS-Konkurrent Wolfgang Süß sicher.

Auf kommunaler Ebene sind die Berührungsängste gegenüber der PDS längst nicht so ausgeprägt wie auf Landesebene. Dort jedenfalls will keine Partei mit ihr das politische Bündnis. Das gilt auch umgekehrt: „Veränderung beginnt mit Opposition“ heißt ein Slogan der PDS. „Wir werden uns an keiner Regierung beteiligen, ganz egal, wie sie zusammengesetzt ist“, verkündet die PDS-Spitzenkandidatin Petra Sitte. Dies bedeute nicht, ihre Partei sei nicht zur Übernahme politischer Verantwortung bereit. „Aber das muß doch nicht in Koalitionen sein.“

Der PDS-Parteivorsitzende Lothar Bisky ist sich mit Petra Sitte und der übrigen PDS-Spitze in Sachsen-Anhalt weitgehend einig. Das Land brauche eine starke Regierung, am liebsten unter einem SPD-Ministerpräsidenten Reinhard Höppner. Dem bieten Petra Sitte und ihr Landesvorsitzender Roland Claus seit dem Ergebnis der Kommunal- und Europawahlen fast gebetsmühlenhaft Verhandlungen über ein Tolerierungsabkommen an. Doch der lehnt ebenso gebetsmühlenhaft ab. Höppner weiß: Seiner ohnehin mitgliederschwachen Landespartei würden die Mitglieder in Scharen davonlaufen, wenn er der PDS auch nur den kleinen Finger reichte. Stattdessen will er im Wählerpotential der PDS wildern. „Wer PDS wählt, stärkt die CDU“, heißt die aktuelle Parole.

Auch die CDU wahrt absolute Distanz. Über Monate hinweg verließen die CDU-Parlamentarier im Landtag fast geschlossen den Saal, wenn bestimmte PDS-Abgeordnete redeten. Darunter auch CDUler, die früher mit der SED ganz gut konnten.

Der SPD-Vize Wolfgang Thierse hält mittlerweile die PDS als Partner der Sozialdemokraten auf kommunaler Ebene für „unvermeidbar“. Nach einem Bericht der Woche ist Thierse parteiintern von seiner bislang kategorischen Haltung abgerückt. Er plädiere mittlerweile für eine unverkrampfte Beziehung zur Nachfolgepartei der SED. In einem „persönlich-vertraulichen“ Brief Thierses an die SPD-Spitze habe Thierse eingeräumt, die PDS agiere „sachlich, pragmatisch, bürgernah, mit Dienstleistungscharakter“. Eine pauschale Ausgrenzung der PDS beleidige trotz der alten SED-Kader in ihren Reihen „nahezu jeden ehemaligen DDR-Bürger“.

Die Fraktionsvorsitzenden der CDU und CSU haben unterdessen die SPD aufgefordert, „sich von einer Zuammenarbeit mit der PDS auf allen Ebenen klar zu distanzieren“. In einer Erklärung der Fraktionsvorsitzendenkonferenz vergangenen Dienstag in Weimar wird die SED-Nachfolgeorganisation als „linksradikal“ und „Gefahr für die Demokratie“ bezeichet. Sie stehe auf einer Stufe mit den „Republikanern“. Ob diese Einschätzung der PDS schadet? Die Landtagswahl am Sonntag ist nicht nur als Indikator für die künftige Stärke der PDS zu sehen. Die Anzeichen mehren sich, daß auch der Umgang mit ihr sich am Wahlergebnis entscheiden wird. Eberhard Löblich/ Wolfgang Gast