An Vogtsileins Hacken
: „Bürger für Berti“

■ Der NDR erbarmt sich des arg geprügelten Bundestrainer

Der Mann hat es mächtig schwer. Keiner hat ihn wirklich lieb oder Verständnis für seine Situation. Zuerst dieses Desaster bei der WM-Eröffnungszeremonie, als Kalle Riedle bei der Nationalhymne unserem Bundeskanzler den Rücken zuwand. Dann die herbe Kritik nach den beiden ersten Spielen. Armer Berti Vogts. Und es kommt noch dicker: „BERTI PRÜGEL VON ALLEN SEITEN“ kläffte das Zentralorgan der Denkfaulenszene gestern auf seiner Titelseite. Auch in besser informierten Redaktionen herrschen Zweifel, ob Vogtsilein der richtige ist, um unsere Elf zur Titelverteidigung zu führen. „Der Typ ist einfach zu dumm!“, analysiert wenig föjetonistisch der Chef-Kulturschreiber der taz-hamburg. Der Frauenredak-teurin fällt zum braven Mann aus Kochenbroich nur ein kurzes aber stimmiges „Hiii, Hiii“ ein. „Ich wollte gerade rülpsen“, reagierte der für das Öko-Ressort Verantwortliche und meinte, daß das an Kommentar reichen müßte. Der angedrohten Speiseröhren-Kontraktion ausweichend, schnell zu den SäzzerInnen geflüchtet, wird die körperliche Attraktivität von Berti diskutiert: „Nur häßlich“, wenn man der Aushilfe glauben schenken darf. Dem Fachredakteur für Tatütata und Klassenkampf sind andere Werte wichtig: „Vogts hat genauso wenig Hirn wie Uwe Seeler.“ Mit einem Kopfschütteln reagiert der Maximo Lider dieser Schreiberlinge: „So muß es ja kommen, wenn man den Kanzler zum Freund hat.“

Doch der Oggersheimer Helmut ist nicht der einzige, der zu Berti hält. Tag für Tag schickt der Norddeutsche Rundfunk Solidaritätsadressen über den Äther. „Ich bin ein Bürger für Berti“, bekannte der sozialdemokratische Liedermacher Heinz-Rudolf Kunze, „weil er ein ganz normaler Mensch ist und die Medien auf ihn sauer sind, daß er sich keine skurrilen Abartigkeiten leistet.“

Flammende Plädoyers hielten auch Heidi Kabel, Hella von Sinnen, die Stars aus der „Lindenstraße“ oder der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder. Sexkonzernchefin Beate Uhse wünschte dem „Terrier“, „daß jeder Schuß ins Tor der Gegner trifft“. Die NDR-Aktion „Bürger für Berti“ hat längst die Dimension einer Massenbewegung angenommen. Sogar die Shirts mit dem Bekenner-Slogan sind ausverkauft.

Vor den NDR-Mikrofonen würdigte der Bundestrainer seine Sympathisanten. „Ich bin so dankbar dafür, daß endlich jemand sachlich über Fußball spricht.“ Initiatorin Sabine Ross-bach-Hesse klagt: „Der Berti ist fertiggemacht worden“. Flugs wurde in der NDR-Kantine nach der 0:2-Pleite im WM-Vorbereitungsspiel gegen Irland die Idee geboren, dem angeschlagenen Bundestrainer moralischen Beistand aus der Heimat gen USA zu übermiteln. Die Berti-Fans mögen an ein vorzeitiges Scheitern der deutschen Mannschaft gar nicht denken: „Das könnte“, beschreibt Rossbach-Hesse die Stimmung, „nur durch einen Sabotageakt passieren. Aber selbst dann würden wir erst recht zu ihm halten.“ beag/Max Schulz