„Herzlich willkommen, Franzosen!“

Im Südwesten Ruandas begrüßen Regierungsanhänger die französischen Soldaten mit Flaggen und Transparenten / Diejenigen, die gerettet werden sollen, sind zurückhaltender  ■ Aus Cyangugu Bettina Gaus

„Vive la France“ – „Herzlich willkommen, Franzosen!“ – auf Pappkartons geschrieben und an die Bäume genagelt, auf Standbilder gemalt und mit Kreide auf die Straße gekritzelt, zeugen diese Parolen von der Begeisterung der Bevölkerung in der Umgebung der südwestruandischen Stadt Cyangugu über die Ankunft französischer Truppen in ihrer Region. Tausende begüßten am Donnerstag nachmittag die ersten 50 ausländischen Soldaten. Überall flattern an Autos und Motorrädern kleine französische Fahnen als Willkommensgruß im Wind.

Wo kommen all die Trikoloren her? „Wir haben sie nicht an die Leute verteilt, wenn Sie das meinen“, sagt ein Kapitän der französischen Fallschirmjäger, der seinen Namen lieber nicht nennen will. Er möchte auch seine Meinung zur Mission nicht äußern: „Wir sind Soldaten und wir befolgen Befehle. Das ist alles.“ Und dann fügt er noch hinzu: „Wir sind hier aus rein humanitären Gründen.“

Davon allerdings sind viele Ruander und auch Ausländer nur schwer zu überzeugen. Frankreichs Regierung hatte zu den letzten ausländischen Mächten gehört, die das Regime des am 6. April getöteten ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana aktiv unterstützt hatten – sogar mit Militärberatern und Waffen. Teile der ruandischen Armee und Milizen von Habyarimanas ehemaliger Einheitspartei MRND sind für den Tod der meisten der rund 500.000 Opfer verantwortlich, die die Massaker der letzten elf Wochen gefordert haben. Jetzt wird den französischen Truppen vor allem seitens der Rebellenbeweung RPF unterstellt, sie wollten mit ihrem Einsatz die geschwächte Interimsregierung stützen.

Das scheinen auch Teile der Bevölkerung zu vermuten, die die ausländischen Militärs jetzt so herzlich begrüßt haben. „Es lebe die französisch-ruandische Zusammenarbeit“, steht auf Plakaten zu lesen, und: „Nieder mit den Belgiern!“ Viele Anhänger der Regierung meinen, belgische Soldaten hätten gemeinsam mit der RPF den Präsidenten ermordet. „Die Gewalt ging von den Belgiern und der RPF aus“, sagt ein ruandischer Arzt an der Grenze zu Zaire. „Das Miitär hat nur entsprechend genauer Listen ausgewählt einige Leute getötet. Für die Massaker war die RPF verantwortlich.“ Diese Darstellung widerspricht fast allen Augenzeugen der letzten Wochen – aber sie ist hier in der Region am Kivu-See weitverbreitete Überzeugung.

Jetzt machen Gerüchte die Runde, denen zufolge die Franzosen mit Hubschraubern versuchen wollen, die Mitglieder des in Bedrängnis geratenen Interimskabinetts aus der nordwestruandischen Stadt Gisenyi in ein sicheres Exil zu evakuieren. Eine erste Aufklärungseinheit der Infanterie ist bereits aus dem zairischen Goma über die Grenze Richtung Gisenyi marschiert.

Diejenigen, zu deren Schutz der UN-Sicherheitsrat den französischen Truppen ihr Eingreifmandat erteilt hat, äußern sich bisher sehr zurückhaltend. „Ich will zur Ankunft der Franzosen nichts sagen“, erklärt ein Flüchtling im Lager Nyarushishi, dem ersten Einsatzort der ausländischen Truppen. Etwa 8.000 Flüchtlinge haben sich hier seit Anfang April versammelt. Die große Mehrheit sind Tutsis, jene ethnische Minderheit, die vor allem Opfer des Blutbades geworden ist. Inmitten von Teeplantagen ist ein Meer blauer und grüner Plastikplanen zu sehen. Das Internationale Rote Kreuz hat die Flüchtlinge mit Nahrung, Regenschutz und Medikamenten versorgt — aber Sicherheit konnte die Organisation ebensowenig bieten wie die ruandischen Gendarmen, die bisher für den Schutz der Verfolgten zuständig waren. Regelmäßig haben Milizen das Camp überfallen und Bewohner getötet. „Noch gestern vormittag sind sie gekommen und haben einen Mann verbrannt, dahinten“, berichtet einer der Flüchtlinge. Er zeigt selbst eine Kopfwunde, die ihm mit einer Machete beigebracht worden ist, und er meint: „Ich bin sehr froh, daß die Franzosen hier sind. Jetzt können die Milizen nicht mehr kommen, um mich zu töten.“