Skandale en gros

■ Eine kurze Geschichte der Landesregierungen von Magdeburg

Magdeburg (taz) – Drei Landesregierungen in nur knapp vier Jahren – Sachsen-Anhalt hält den deutschen Rekord. Spitzel- und Gehälteraffairen wechselten einander ab. Politik erschöpfte sich in den vergangenen vier Jahren fast ausschließlich in Schadensbegrenzung. Nicht immer erfolgreich, zwei Ministerpräsidenten mußten schließlich doch den Hut nehmen, insgesamt acht Minister wurden im Lauf der Zeit in die Wüste geschickt.

Das fröhliche Zurücktreten begann schon nach knapp acht Monaten Regierungszeit. Bei den Landtagswahlen 1990 guckte der CDU-Spitzenkandidat und designierte Regierungschef Gerd Gies in die Röhre. Seine Christenunion hatte bei den Erststimmen in 48 von 49 Wahlkreisen so mächtig abgeräumt, daß für ihn ebenso wie für seinen designierten Innenminister Wolfgang Braun kein Landtagssitz mehr übrigblieb. Ein Regierungschef und sein Innenminister ohne Landtagsmandat – für Gies und Braun war das mehr als ein Schönheitsfehler, den Gies mit ganz eigener Art von Vergangenheitsbewältigung ausbügelte.

Mit fragwürdigen Stasi-Vorwürfen setzte Gies, dem es zu Vorwendezeiten als einziger Blockflöte gelungen war, einen Absatz in der „Geschichte der SED im Bezirk Magdeburg“ gewidmet zu bekommen, Abgeordnete der CDU- Fraktion unter Druck. Drei warfen das Handtuch, Gies und Braun konnten in den Landtag nachrücken. Künstlerpech, daß Gies mit seinen Vorwürfen nicht nur Stasi- Täter, sondern auch -Opfer belästigte. Die packten aus, und Gies packte ein. Seinen Innenminister nahm er gleich mit. Der war zwischenzeitlich als Inoffizieller Mitarbeiter enttarnt worden.

Der Gies-Nachfolger, Ex-Finanzminister Werner Münch, begann schnell, Sachsen-Anhalt zu seinem ganz persönlichen Hofstaat umzubauen. Das Wort vom Sonnenkönig Werner I. machte die Runde. Zunächst aber trennte er sich von zwei Ministern: Als die Kabinettsmitglieder unterschrieben, niemals etwas mit der Stasi zu tun gehabt zu haben, vergaßen Europaminister Gerd Brunner und Landwirtschaftsminister Otto Mintus bestimmte Schatten der Vergangenheit.

Als danach Gerüchte über eine Stasi-Vergangenheit von Umweltminister Wolfgang Rauls auftauchten, konnte Münch seine Neugier kaum zügeln. Einen Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz ließ er zügellos gewähren, als der sich selbstherrlich – und rechtswidrig – auf die Rauls-Vergangenheit stürzte. Ob Münch dem Verfassungsschützer sogar einen Auftrag für die Spitzelei erteilte, konnte ein eigens eingerichteter Untersuchungsausschuß nicht endgültig klären.

Münch stolperte nicht über diese Affaire, sondern über sein einnehmendes Wesen. Noch als Finanzminister hatte er dafür gesorgt, daß er nicht darben muß. Die Bezüge der Regierungsmitglieder in Sachsen-Anhalt gehörten zu den höchsten in ganz Deutschland. Die Kritik an seinem hohen Gehalt saß Münch noch aus, als aber ruchbar wurde, daß er sich einen Teil dieses Gehaltes rechtswidrig erschlichen hatte, reichte das Sitzfleisch nicht mehr. Gemeinsam mit drei seiner fünf Westminister trat er zurück, als bekannt wurde, daß sie sich durch falsche Angaben über frühere Einkünfte überhöhte Gehaltszahlungen bis zu 900.000 Mark verschafft hatten.

Der neue Ministerpräsident Christoph Bergner profilierte sich schnell als sparsam und bescheiden, konnte aber nicht verhindern, daß zwei seiner Minister, Finanzminister Joachim Kupfer sowie der Bauminister und CDU-Landesvorsitzende Karl-Heinz Daehre, mit zweifelhaften Finanztransfers ins Gerede kamen. Gegen Daehre ermittelt die Staatsanwaltschaft, und auch die beiden Ex-Regierungschefs sowie die Ex-Minister Braun und Werner Schreiber müssen sich mit Ermittlungsverfahren herumschlagen.

Da wundert es schon sehr, daß der Landesschatzmeister der CDU, Michael Josten, gerade erst von allen Parteiämtern zurücktrat, obwohl der Vorwurf, er habe drei Parteifreunde und eine Sozialdemokratin bespitzeln lassen, noch gar nicht zweifelsfrei bewiesen ist. Aber auch in der CDU von Sachsen-Anhalt bestätigen Ausnahmen die Regel. Eberhard Löblich